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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Kochstimmung. Ich roch die geschmorten Zwiebeln und den angebratenen Knoblauch, die Henry als Basis für jedes Gericht nimmt, das er zubereitet. Es war ein gutes Zeichen, daß er wieder Freude am Kochen hatte. In den Monaten seit dem Einzug seines Bruders William hatte er ganz zu kochen aufgehört, zum Teil weil William so entsetzlich heikel war. So bescheiden und zaghaft, wie man es sich nur vorstellen kann, pflegte William zu erklären, daß dieses Gericht für seinen Hochdruck leider ein klein wenig zu stark gesalzen sei, daß jenes eine Spur zu fett sei für seine Galle. Und wegen seines empfindlichen Darms und seines Reizmagens vertrug er leider auch nichts, was zuviel Säure enthielt oder zu stark gewürzt war. Hinzu kamen noch seine Allergien, seine Laktose-Unverträglichkeit und sein Herz, sein Leistenbruch, seine gelegentliche Inkontinenz und seine Neigung zur Bildung von Nierensteinen. Schließlich hatte Henry für sich nur noch belegte Brote gemacht und William sich selbst überlassen.
    William begann daraufhin, seine Mahlzeiten in der Kneipe an der Ecke einzunehmen, die seit Jahren seiner geliebten Rosie gehörte. Rosie ging zwar scheinbar auf Williams diverse Leiden ein, bestand aber darauf, daß er aß, was sie ihm vorsetzte. Sie ist überzeugt, daß man mit einem Glas Sherry jedem Leiden beikommen kann. Nur Gott allein weiß, was ihre gepfefferte ungarische Küche Williams empfindlichem Darm und Reizmagen angetan hat.
    »Henry?«
    »Jaha«, rief Henry aus dem Schlafzimmer. Gleich darauf hörte ich Schritte, dann kam er um die Ecke und strahlte, als er mich sah. »Kinsey! Du bist wieder da! Komm rein. Ich bin sofort da.«
    Er verschwand. Ich trat in die Küche. Er hatte seinen großen Suppentopf vom Schrank heruntergeholt. Auf dem Küchentisch lag ein Bund Sellerie, daneben standen zwei große Dosen Tomaten, eine Packung gefrorener Mais und eine zweite Packung mit Erbsen.
    »Ich mache gerade Gemüsesuppe«, rief er. »Komm doch zum Abendessen.«
    Ich sprach laut, so daß er mich drüben im anderen Zimmer hören konnte. »Vielen Dank, die Einladung nehme ich gern an. Aber ich warne dich, du riskierst vielleicht eine Erkältung. Ich habe ein echtes Prachtstück aus Mexiko mitgebracht. Was treibst du eigentlich da hinten?«
    Mit einem Stapel frischer Handtücher im Arm kam Henry wieder in die Küche. »Ich hab’ nur schnell die Wäsche zusammengelegt«, erklärte er, während er die Handtücher in einer Schublade verstaute und eines zum Gebrauch draußen ließ. Er hielt einen Moment inne und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Was hast du da am Ellbogen?«
    Ich hob den Arm und schaute mir meinen Ellbogen an. Die Selbstbräunungscreme hatte wahre Wunder gewirkt. Mein Ellbogen sah aus, als hätte man ihn in Vorbereitung auf eine Operation mit Jod eingerieben. »Das ist meine Sonnenbräune aus der Dose. Du weißt doch, wie ich es hasse, mich in die Sonne zu legen. In ein paar Tagen wäscht sich das wieder raus. Das hoffe ich jedenfalls. Und was gibt’s hier Neues? Du bist ja so gutgelaunt, wie ich dich seit Monaten nicht mehr erlebt habe.«
    »Setz dich, setz dich. Möchtest du eine Tasse Tee?«
    Ich setzte mich in seinen Schaukelstuhl. »Danke, nicht nötig«, antwortete ich. »Ich bleibe nur einen Moment. Ich habe heute morgen was gegen den Schnupfen genommen und kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich glaube, ich krieche für den Rest des Tages ins Bett.«
    Henry nahm einen Dosenöffner zur Hand und kurbelte die beiden Dosen mit den Tomaten auf, die er in den Suppentopf schüttete. »Du errätst nie, was hier passiert ist. William ist mit Rosie zusammengezogen.«
    »Echt? Für immer?«
    »Ich hoffe es. Ich habe endlich begriffen, daß es mich einen Dreck angeht, was er mit seinem Leben anstellt. Erst habe ich mir eingebildet, ich müßte ihn retten. Die ganze Geschichte war doch so absurd. Die beiden passen nicht zusammen — na und? Das wird er irgendwann schon selber merken. Ich lasse mich jedenfalls nicht mehr von ihm verrückt machen. Dieses ewige Gewäsch von Krankheit und Tod, Depressionen und Herzrhythmusstörungen. Mein Gott! Soll er das doch mit ihr >teilen<. Sollen sie sich doch gegenseitig zu Tode langweilen.«
    »Bravo! Wann ist er ausgezogen?«
    »Am Wochenende. Ich hab’ ihm beim Packen geholfen und sogar ein paar von seinen Kartons rübergebracht. Seitdem lebe ich hier wie im Paradies.« Er lächelte breit, griff sich den Sellerie, riß die Stangen auseinander, wusch sie

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