Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
äußerst schlechter Tonqualität. Verfügen Sie über irgendeine Möglichkeit, sie aufzubessern?«
»Das kommt darauf an, was Sie da haben. Ich könnte es versuchen«, meinte er. »Möchten Sie das Band vorbeibringen? Ich kann die Tür offenlassen.«
»Ich bin gleich da.«
Unterwegs hielt ich kurz bei Rosie’s, erzählte ihr von Beauty und bat um ein paar Hundeknochen. Sie hatte früher am Abend ein Kilo Kalbshaxe für Fleischbrühe ausgekocht. Ich mußte mich durch den Abfall wühlen, um sie zu finden. Dann wickelte sie mir zwei Knochen mit den üblichen Ermahnungen ein. »Du solltest dir einen Hund anschaffen«, empfahl sie.
»Ich bin doch nie zu Hause«, entgegnete ich. Sie nervt mich andauernd damit. Keine Ahnung warum. In meinen Augen will sie nur Ärger machen.
»Ein Hund ist eine nette Gesellschaft, und außerdem beschützt er einen.«
»Ich werd’s mir überlegen«, sagte ich, als die Küchentür zuklappte.
»Und wenn du schon dabei bist, besorg dir gleich noch einen Liebhaber.«
Hector hatte die Tür zum Rundfunkstudio offenstehen und das Licht in der Eingangshalle brennen lassen. Ich stieg mit meinem Päckchen Knochen ins Dämmerlicht der Treppe hinunter. Beauty erwartete mich bereits, als ich unten ankam. Sie war so groß wie ein kleiner Bär, und aus ihren dunklen Augen leuchtete die Intelligenz. Ihr Pelz war rotgolden und das Unterhaar flaumig und weich. Als sie mich sah, schien ihr Fell Wellen zu schlagen, und sie ließ ein leises, summendes Knurren ertönen. Ich sah, wie sie den Kopf hob, als sie meinen Geruch wahrnahm. Ohne Vorwarnung warf sie die Lippen auf und begann zu jaulen, ein hohes, klagendes Geräusch, das Minuten anzuhalten schien. Ich regte mich nicht, spürte aber, wie sich mir als Reaktion auf ihr Winseln ebenfalls die Haare aufstellten. Mit der Hand auf dem Treppengeländer stand ich wie angewurzelt auf der untersten Stufe. Irgend etwas Archaisches in ihrem Gesang jagte mir eisige Schauer über den Rücken. Ich hörte, wie Hector sie rief, und gleich anschließend vernahm ich das schnelle Klopfen seiner Krücken, als er sich den Flur entlang bewegte.
»Beauty!« fauchte er.
Zuerst gehorchte sie nicht. Er rief sie noch einmal. Widerstrebend wandte sie ihm den Blick zu, und ich konnte sehen, wie sie mit sich rang. Sie war eigensinnig und entschlossen. Ihr Wille, sich zu widersetzen, war ebenso stark wie der Drang zu gehorchen. Ihr Klagen klang bekümmert, die Halbsprache der Hunde, in der Gefühle im eindringlichen Idiom von Kaniden vermittelt werden. Sie jaulte erneut auf und ließ mich nicht aus den Augen.
Ich murmelte: »Was hat sie denn?«
»Wenn ich das wüßte.«
»Ich habe ihr ein paar Knochen mitgebracht.«
»Das ist es nicht.« Er beugte sich hinab und berührte sie. Das Jaulen wurde zu einem leisen Heulen, das so voller Schmerz war, daß es mir das Herz brach. Er streckte die Hand aus, und ich reichte ihm das Päckchen Kalbshaxe.
Hector sah mich befremdet an. »Sie riechen wie Lorna. Haben Sie Sachen von ihr in der Hand gehabt?«
»Ich glaube nicht. Nur einige Papiere«, sagte ich. »In der Schachtel mit den Akten war ein Schal von ihr, aber das war gestern.«
»Setzen Sie sich ganz vorsichtig auf die Stufen.«
Ich ließ mich langsam in Sitzposition hinunter. Er begann in tröstlichem Tonfall auf Beauty einzureden. Sie beäugte mich mit einer Mischung aus Hoffnung und Verwirrung, da sie dachte, ich sei Lorna, aber wußte, daß ich es nicht war. Hector hielt ihr die Knochen hin, die sie jedoch nicht interessierten. Statt dessen reckte sie vorsichtig ihre stumpfe Schnauze und schnüffelte an meinen Fingern. Ich sah, wie ihre Nüstern arbeiteten, als sie die Komponenten meines persönlichen Geruchs prüfte und analysierte. Er kratzte sie an den Ohren und massierte ihr die fleischigen Schultern. Schließlich schien sie einzusehen, daß sie sich irgendwie geirrt hatte. Sie ließ den Kopf hängen und sah mich verdutzt an, als könnte ich mich jeden Moment in die Frau verwandeln, auf die sie wartete.
Hector richtete sich auf. »Jetzt hat sie sich beruhigt. Kommen Sie. Hier entlang. Nehmen Sie sie doch selbst«, sagte er und gab mir die Knochen wieder. »Vielleicht entschließt sie sich ja doch noch dazu, Sie zu mögen.«
Ich folgte ihm in dasselbe kleine Studio wie letztes Mal. Beauty hatte ihre argwöhnische Wachpositur wieder eingenommen und ließ sich zwischen uns nieder. Dann legte sie den Kopf auf die Pfoten. Gelegentlich warf sie mir einen Blick zu, doch
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