Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
beugte mich hinüber und drehte das Fenster herunter. Eine zaunlattendürre Brünette in T-Shirt, Minirock und Cowboystiefeln löste sich von der Wand, an die sie sich gelehnt hatte. Sie schlenderte herüber und machte die Tür auf der Beifahrerseite auf. Ich konnte die Erhebungen der Gänsehaut auf ihren dünnen, nackten Armen sehen.
    »Gesellschaft gefällig?« Sie war high von irgend etwas und strömte diesen seltsamen Körpergeruch der Cracksüchtigen aus. Ihre Augen kippten immer wieder nach oben weg, wie ein Fernsehbild, das ständig durchfällt.
    »Ich suche Danielle.«
    »Tja, Danielle hat zu tun, und ich springe für sie ein. Sie kriegen bei mir alles, da können Sie sicher sein.«
    »Ist sie nach Hause gegangen?«
    »Kann sein, daß Danielle sich zu Hause ausruht. Für zehn Dollar mehr mach ich’s Ihnen echt gut.«
    Ich sagte: »Das reimt sich. Sehr hübsch. Das Versmaß ist ein bißchen daneben, aber ansonsten sind Sie Longfellow.«
    »So ein blödes Gerede. Haben Sie nicht etwas Knete?«
    »Keinen Cent in den Taschen.«
    »Na, dann ist nichts zu machen.« Sie wand sich aus dem Wagen heraus und spazierte zu ihrem Posten zurück. Ich fuhr davon und hoffte, daß ich keinen Anfall jambischer Pentameter ausgelöst hatte. Auf die Idee, daß Danielle sich vor der Arbeit zu Hause aufhalten könnte, wäre ich gar nicht gekommen.
    Ich fuhr zwei Blocks hoch, dann nach links und bog in die schmale Gasse ein, wo Danielle ihre Höhle hatte. Ich blieb auf gleicher Höhe mit dem Grundstück stehen, spähte durch eine Lücke im Gebüsch und ließ den Blick den gepflasterten Weg entlangwandern, der zu ihrer Tür führte. Ihre Vorhänge waren zugezogen, aber ich konnte sehen, daß innen Licht brannte. Ich hatte ehrlich keine Ahnung, ob sie Freier in ihre Wohnung mitnahm oder nicht. Sie lag so nahe beim Palace, daß es praktisch war, aber in der Gegend gab es auch ein paar billige Absteigen, und vielleicht wickelte sie ihre Geschäfte lieber dort ab. Ich sah einen Schatten am Fenster vorbeihuschen, was mich vermuten ließ, daß sie auf war. Mein Motor hustete geräuschvoll, während die Scheinwerfer die Dunkelheit durchschnitten wie Rasierklingen. Ich merkte, wie ich unschlüssig wurde. Vielleicht war sie allein und freute sich über Gesellschaft. Sie konnte aber ebensogut beschäftigt sein. Ich wollte sie weiß Gott nicht bei der Arbeit sehen.
    Während ich noch mit mir rang, stellte ich den Motor ab und löschte die Scheinwerfer. Die Gasse versank in pechschwarzer Finsternis, und in der lastenden Stille surrten die nächtlichen Insekten. Innerhalb einer Minute hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und die Umgebung begann sich in anthrazitfarbenen Schattierungen neu zusammenzusetzen. Ich stieg aus dem Wagen und verschloß ihn hinter mir. Vielleicht sollte ich einmal klopfen. Wenn sie beschäftigt war, war es damit erledigt. Ich tastete mich von der Gasse auf den Weg vor, wobei ich eine Hand vor mir ausstreckte, damit ich nicht über irgendwelche Mülltonnen stolperte.
    An ihrer Türschwelle angekommen, legte ich den Kopf schief, um auf Stimmen oder konserviertes Lachen aus dem Fernseher zu lauschen. Zögerlich klopfte ich. Auf der anderen Seite der Tür war ein leises Stöhnen zu hören, sinnlich und immer wieder. Ah-oh. Ich mußte an den ersten Wohnwagen denken, in den ich nach dem Tod meiner Tante gezogen war. Als ich an einem Sommerabend spät nach Hause kam, hörte ich eine schwangere Nachbarin solche Laute ausstoßen. Als aufrechte Bürgerin ging ich zu ihrem Fenster hinüber, wo ich klopfte und fragte, ob sie Hilfe brauchte. Ich hatte angenommen, sie läge in den Wehen, und erkannte zu spät, daß der Vorgang, den ich gestört hatte, derjenige war, bei dem Babys entstanden, und nicht der, bei dem sie zur Welt kamen.
    Hinter mir verschwand jemand aus den Schatten neben der Gasse und schlich sich durch die Büsche davon. Gemächliche Schritte knirschten auf dem Pflaster und verklangen nach und nach. Danielles Stöhnen wurde heftiger, und ich trat einen Schritt zurück. Verdutzt starrte ich auf die Gasse hinaus. War das ein Kunde von ihr, den ich gerade gesehen hatte? Ich lehnte den Kopf an die Tür. »Danielle?« Keine Antwort.
    Ich klopfte erneut. Schweigen.
    Ich drehte am Türknopf. Die Scharniere gaben nicht das leiseste Geräusch von sich, als die Tür nach innen aufschwang. Zuerst sah ich nur das Blut.

16

    Die Notaufnahme im St. Terry’s war ein Tollhaus, ein Blick in die Hölle. Auf der

Weitere Kostenlose Bücher