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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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für sie.
    Als wir die Intensivstation verließen, legte mir Cheney den Arm um die Schultern. »Alles in Ordnung?«
    Ich lehnte kurz den Kopf an ihn. »Mir geht’s gut. Und dir?«
    »Geht schon«, sagte er. Vor dem Aufzug drückte er den Pfeil nach unten. »Ich habe den Arzt Anweisungen geben lassen. Sie geben keine Informationen über ihren Zustand heraus, und niemand darf zu ihr hinein.«
    »Glaubst du, der Typ könnte wiederkommen?«
    »Es sieht so aus, als hätte er versucht, sie schon beim ersten Mal umzubringen. Wer weiß, wie wichtig es ihm ist, sie endgültig auszuschalten.«
    »Ich fühle mich schuldig. Als hinge das irgendwie mit Lornas Tod zusammen«, sagte ich.
    »Möchtest du mich aufklären?«
    »Worüber?« Die Aufzugtüren öffneten sich. Wir traten hinein, und Cheney drückte auf »Erdgeschoß«. Der Aufzug bewegte sich nach unten.
    »Über den Teil, von dem du mir noch nichts erzählt hast. Du verschweigst doch etwas, oder nicht?« Sein Tonfall war gelassen, aber er sah mich eindringlich an.
    »Wohl schon«, gab ich zu. Ich schilderte ihm kurz mein Gespräch mit dem Anwalt aus Los Angeles und seinen Gorillas in der Großraumlimousine. Als wir aus dem Aufzug stiegen, sagte ich: »Hast du irgendeine Ahnung, wer dieser Mann sein könnte? Er hat behauptet, er verträte jemand anders, aber er hätte genausogut von sich selbst sprechen können.«
    »Ich kann mich umhören. Ich weiß, daß diese Typen zum Abschalten hier herauf kommen. Gib mir die Telefonnummer, und ich werd’s überprüfen.«
    »Lieber nicht«, wandte ich ein. »Je weniger ich weiß, desto besser. Haben sie hier oben Prostituierte laufen?«
    »Vielleicht in kleinerem Umfang. Jedenfalls nichts Großes. Sie kontrollieren vermutlich die Vorgänge vor Ort, aber das muß nicht wesentlich mehr heißen, als daß sie die Profite abschöpfen. Die Drecksarbeit überlassen sie den Jungs, die sie unter sich haben.«
    Cheney hatte in einer Seitenstraße geparkt, die näher beim Vordereingang als bei der Notaufnahme lag. Wir gelangten in die Halle. Sowohl der Geschenkeladen als auch das Café hatten geschlossen, und man konnte durch die Glasfenster die Schatten der Einrichtung erkennen. Am Empfang sprach ein Mann heftig auf eine Angestellte ein. Cheneys ganze Art änderte sich schlagartig, und seine Haltung wurde polizeilich. Er setzte eine unnachgiebige Miene auf, während zugleich sein Gang etwas Großspuriges bekam. Mit einer einzigen schwungvollen Bewegung hielt er der Angestellten seine Dienstmarke unter die Augen, wandte aber den Blick nicht von dem Mann ab, der sie so bedrängte. »Hallo, Lester. Möchten Sie nicht hier herüberkommen? Dann können wir uns ein bißchen unterhalten«, sagte er.
    Lester Dudley veränderte sein Verhalten entsprechend. Er legte seine schikanöse Art ab und lächelte gewinnend. »He, Phillips. Schön, Sie zu treffen. Ich glaube, ich habe Sie vorhin schon kurz gesehen, bei Danielles Haus. Haben Sie gehört, was passiert ist?«
    »Deshalb bin ich ja hier, sonst würden Sie mich nämlich nicht sehen. Heute ist mein freier Abend. Ich war zu Hause und habe ferngesehen, als die Notrufzentrale mich verständigt hat.«
    »Nicht allein, will ich hoffen. Es ist mir ein Greuel, einen Mann wie Sie allein zu sehen. Das Angebot steht nach wie vor, Tag und Nacht, männlich oder weiblich. Alles, wonach Ihnen der Sinn steht, Lester Dudley liefert es...«
    »Wollen Sie kuppeln, Lester?«
    »Das war doch nur Spaß, Phillips. Herrgott, darf man denn keinen kleinen Witz mehr machen? Ich kenne die Gesetze ebensogut wie Sie, wahrscheinlich sogar besser, wenn’s drauf ankommt.«
    Lester Dudley entsprach nicht der Vorstellung, die ich mir von einem Zuhälter gemacht hatte. Aus der Entfernung hatte er wie ein mürrischer Jugendlicher ausgesehen, zu jung, um ohne ein Elternteil oder einen Aufpasser in einen Film mit Altersbeschränkung zu kommen. Aus der Nähe stellte ich fest, daß er Anfang Vierzig war, ein Fliegengewicht, vielleicht einen Meter zweiundsechzig groß. Sein Haar, das er aus dem Gesicht gestrichen trug, war dunkel und glatt. Er hatte kleine Augen, eine große Nase und ein leicht fliehendes Kinn. Sein Hals war dünn und ließ seinen Kopf wie eine Rübe aussehen.
    Cheney machte sich nicht die Mühe, uns einander vorzustellen, aber Lester schien mich durchaus wahrzunehmen und blinzelte mich schelmisch an, wie ein Höhlentier, das plötzlich ans Tageslicht gezerrt wird. Er trug Kinderkleidung: ein langärmeliges, quergestreiftes

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