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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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noch nicht verloren und bildete einen Wirrwarr schimmernder Strähnen. Im Blitzlicht leuchteten kleine weiße Maden wie winzige Perlen. Ich schob die Bilder wieder in den dicken, gelben Umschlag und steckte ihn in meine Handtasche.

7

    Ich stand an meinen VW gelehnt, den ich vor meiner Wohnung geparkt hatte, als Cheney in einem VW um die Ecke bog, der noch älter aussah als meiner. Er war beige und verbeult, ein unheimlicher Doppelgänger des 68er Modells, das ich vor fast zwei Jahren in den Graben gesetzt hatte. Cheney kam tuckernd zum Stehen, und ich versuchte, die Beifahrertür zu öffnen. Ohne Erfolg. Schließlich mußte ich einen Fuß gegen das Auto stemmen, um soviel Hebelwirkung zu entfalten, daß ich die Tür aufbekam. Das Kreischen, das sie von sich gab, hörte sich an, als würde ein großes, unmanierliches Tier einen fahren lassen. Ich setzte mich in den Wagen und zerrte bei dem Versuch, sie wieder zuzumachen, erneut vergeblich an der Tür. Cheney griff über mich hinweg und schaffte es, sie heranzuziehen und zu schließen. Er schaltete in den ersten Gang und fuhr rumpelnd los.
    »Schöner Wagen. Ich hatte mal genau den gleichen«, sagte ich. Ich riß am Sicherheitsgurt und mühte mich erfolglos ab, ihn auf meinem Schoß einschnappen zu lassen. Das ganze Teil war eingefroren, und so konnte ich schließlich nur darum beten, daß er keinen Unfall baute. Ich finde es sehr unangenehm, wenn ein Abend damit endet, daß ich durch die Windschutzscheibe fliege. Zu meinen Füßen spürte ich, wie durch ein Loch, das der Rost gefressen hatte, der Wind hereinblies. Ich wußte, wenn es Tag gewesen wäre, hätte ich die Straße vorbeirasen sehen, genau wie dieses Stückchen Gleise, das man zu sehen bekommt, wenn man im Zug die Toilettenspülung betätigt. Ich versuchte, meine Füße hochzuhalten, um keinen Druck auf die Stelle auszuüben und nicht ganz durchzubrechen. Sollte das Auto streiken, so könnte ich es — ohne aufzustehen — mit einem Fuß weiterbewegen. Dann wollte ich das Fenster herunterdrehen, mußte jedoch feststellen, daß die Kurbel fehlte. Schließlich öffnete ich das Ausstellfenster und kalte Luft drang herein. Bis jetzt war das Ausstellfenster das einzige, was auf meiner Seite funktionierte.
    Cheney meinte: »Ich habe auch noch einen kleinen Sportwagen, aber ich halte es für unsinnig, mit so etwas in diese Gegend zu fahren. Hast du schon mit Dolan gesprochen?«
    »Ich habe ihn heute abend im St. Terry’s besucht. Er war ganz reizend, muß ich sagen. Ich bin direkt vom Krankenhaus ins Polizeirevier gegangen, um mir die Akten durchzusehen. Er hat mir sogar Abzüge der Fotos vom Tatort beschafft.«
    »Wie ging es ihm?«
    »Ganz gut, denke ich. Nicht so griesgrämig wie sonst. Warum? Was hast du für einen Eindruck?«
    »Als ich mit ihm geredet habe, wirkte er deprimiert, aber vielleicht hat er sich ja dir zuliebe zusammengerissen.«
    »Er muß Angst haben.«
    »Ich hätte jedenfalls Angst«, meinte Cheney.
    Heute abend trug er ein Paar schicke italienische Schuhe, eine dunkle Hose, ein kaffeebraunes Sporthemd und eine Windjacke aus weichem, cremefarbenem Wildleder. Ich muß sagen, in meinen Augen sah er ganz anders aus als die verdeckten Ermittler, die ich sonst kannte. Er blickte zu mir herüber und merkte, daß ich ihn taxierte. »Was?«
    »Wo bist du eigentlich her?« fragte ich.
    »Perdido«, antwortete er, eine Kleinstadt, die knapp fünfzig Kilometer südlich von uns lag.
    »Und du?«
    »Ich bin von hier«, sagte ich. »Dein Name kommt mir bekannt vor.«
    »Du kennst mich ja auch schon seit Jahren.«
    »Ja, aber kenne ich dich nicht auch noch von woanders? Hast du Familie in der Gegend?«
    Er gab ein unverbindliches Geräusch von sich, das wohl als »ja« ausgelegt werden durfte.
    Ich musterte ihn eingehend. Da ich selbst zum Lügen neige, erkenne ich die Ausweichmanöver anderer Leute auf Anhieb. »Was macht denn deine Familie?«
    »Banken.«
    »Was mit Banken? Legen sie Geld an? Machen sie Überfälle?«
    »Sie, ähmmm, besitzen ein paar.«
    Ich starrte ihn an, und die Erkenntnis dämmerte mir wie eine riesige Comicsonne. »Dein Vater ist X. Phillips? Wie in >Bank of X. Phillips    Er nickte stumm.
    »Was heißt das X? Xavier?«
    »Eigentlich nur X.«
    »Was für eine Marke ist denn dein Zweitwagen? Ein Jaguar?«
    »He, nur weil er die dicke Kohle besitzt, heißt das nicht, daß ich sie auch habe. Ich habe einen Mazda. Nichts Besonderes. Na ja, ein bißchen besonders, aber er ist

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