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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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davor und sah acht verschiedenen Herzen beim Schlagen zu, eine Reihe grüner, eigensinnig hüpfender Punkte auf Bildschirmen, die nebeneinander auf der Theke standen.
    Die Station selbst war in den Farben des Südwestens gehalten: matte Rosatöne, zartes Himmelblau, kühles Blaßgrün. In alle Zimmer führten gläserne Schiebetüren, so daß sie für die Schwestern leicht einsehbar waren, jedoch gab es auch Vorhänge, die zugezogen werden konnten, wenn Ungestörtheit erwünscht war. Die ganze Station wirkte so sauber und still wie eine Wüste: keine Blumen, keine künstlichen Pflanzen, ebene, leere Flächen. An den Wänden hingen Wüstenbilder, auf denen sich in der Ferne Berge erhoben.
    Ich fragte, wo Lieutenant Dolan läge, und ein Pfleger wies den Korridor hinunter. »Zweite Tür links«, sagte er.
    »Danke.«
    Ich blieb in der Tür zu Lieutenant Dolans Zimmer stehen, das schick und modern war. Das Bett, in dem er lag, war so schmal wie das eines Mönchs. Ich war daran gewöhnt, ihn bei der Arbeit zu sehen, in einem verknitterten grauen Anzug, griesgrämig, genervt und absolut geschäftsmäßig. Hier sah er kleiner aus. Bekleidet war er mit einem unförmigen, pastellfarbenen Baumwollhemd mit kurzen Ärmeln, das hinten zugebunden wurde. Er trug einen Eintagesbart zur Schau, der sich stachelig-grau auf seinen Wangen abzeichnete. Ich sah das müde, sehnige Fleisch seines Halses, und seine früher so muskulösen Arme wirkten abgezehrt und dünn. An einer Stange neben dem Kopfende seines Bettes befanden sich alle Utensilien, die zur Überwachung seines Zustandes nötig waren. Auf seine Brust geklebte Kabel schlangen sich zu einem Stecker an der Stange hinauf, wo ein Bildschirm die Daten seiner Lebensfunktionen ausspuckte wie ein Fernschreiber. Er las Zeitung, und die Halbbrille saß ihm weit vorne auf der Nase. In einem Arm hatte er eine Infusion. Als er mich sah, legte er die Zeitung beiseite und nahm die Brille ab. Dann zupfte er an seiner Decke und zog sie sich über die nackten Füße.
    Er winkte mich herein. »Sieh mal an, wer da kommt. Was bringt Sie denn hierher?« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das bestenfalls noch spärlich zu nennen war und momentan aussah, als sei es mit Schweiß nach hinten gestrichen worden. Dann stützte er sich auf das hochgeklappte Kopfteil. Das Krankenhausarmband aus Plastik ließ sein Handgelenk verletzlich wirken, aber er sah nicht krank aus. Es war, als hätte ich ihn an einem Sonntagmorgen überfallen, während er vor dem Kirchgang noch im Schlafanzug herumsaß.
    »Cheney hat mir erzählt, daß Sie hier gelandet sind, und da habe ich mir gedacht, ich schaue mal vorbei. Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei der Zeitungslektüre.«
    »Ich habe sie schon dreimal gelesen. Ich bin derart verzweifelt, daß ich schon bei den Kleinanzeigen angelangt bin. Jemand namens Erroll möchte, daß Louise ihn anruft, für den Fall, daß Sie einen von beiden kennen.«
    Ich lächelte und wünschte, er sähe kräftiger aus, wußte dabei aber, daß ich an seiner Stelle noch schlimmer wirken würde. Ich hielt ihm die Illustrierte hin. »Für Sie«, sagte ich. »Ich nehme an, daß eine Überdosis Klatsch Ihrem Zustand nicht schadet. Wenn Sie sich richtig langweilen, können Sie immer noch das Kreuzworträtsel im hinteren Teil machen. Wie fühlen Sie sich? Sie sehen gut aus.«
    »Es geht mir nicht schlecht. Ging mir aber auch schon besser. Der Arzt meint, er könne mich morgen eventuell aus der Station verlegen, und das scheint mir ein gutes Zeichen zu sein.«
    Er kratzte sich die Stoppeln am Kinn. »Jetzt kann ich’s mir leisten, mich nicht zu rasieren. Wie finden Sie’s?«
    »Äußerst verwegen«, antwortete ich. »Sie können direkt von hier aus ein Leben auf der Straße beginnen.«
    »Holen Sie sich einen Stuhl. Setzen Sie sich. Legen Sie die Sachen einfach weg.«
    Auf dem Stuhl in der Ecke lagen der Rest der Zeitung und ein Stapel Zeitschriften. Ich legte den ganzen Haufen zur Seite und zog den Stuhl ans Bett heran, wobei mir bewußt war, daß Dolan und ich Konversation und Aktivität benutzten, um eine grundlegende Nervosität zu verbergen. »Was meinen die Ärzte, wann Sie wieder arbeiten können?«
    »Dazu äußern sie sich momentan nicht, aber ich schätze, das wird noch ein Weilchen dauern. Zwei, drei Monate. Ich muß allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt haben, nach dem zu urteilen, was sie mir erzählen. Mein Gott, Tom Flowers hat sogar Mund-zu-Mund-Beatmung bei mir gemacht,

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