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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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bezahlt.«
    Ich sagte: »Du mußt dich nicht rechtfertigen. Wie bist du denn dazu gekommen, Bulle zu werden?«
    Cheney lächelte. »Als Kind habe ich viel ferngesehen. Ich wuchs in einer Atmosphäre wohlwollender Vernachlässigung auf. Meine Mutter hat hochwertige Grundstücke verkauft, während mein Vater seine Banken leitete. Die Fernsehkrimis haben mich schwer beeindruckt. Jedenfalls stärker als Finanzangelegenheiten.«
    »Ist dein Vater damit einverstanden?«
    »Er hat ja keine Wahl. Er weiß, daß ich seine Nachfolge nicht antreten werde. Außerdem bin ich Legastheniker. Bedruckte Seiten sehen für mich wie Nonsens aus. Und was ist mit deinen Eltern? Leben sie noch?«
    »Nimm bitte zur Kenntnis: Mir ist bewußt, daß du das Thema wechselst, aber ich bin bereit, deine Frage zu beantworten. Sie sind beide schon lange tot. Es hat sich herausgestellt, daß ich oben in Lompoc noch Verwandte habe, aber ich muß mir noch überlegen, was ich mit ihnen anfangen soll.«
    »Was gibt’s da zu überlegen? Es ist mir neu, daß wir in diesen Dingen eine Wahl haben.«
    »Lange Geschichte. Sie haben meine Existenz neunundzwanzig Jahre lang ignoriert, und jetzt kommen sie mir auf die nette Tour. Das behagt mir nicht. Für so eine Familie habe ich keine Verwendung.«
    Cheney lächelte. »Sieh’s doch mal.so. Mir geht’s mit meiner genauso, und ich stehe seit meiner Geburt mit ihr in Kontakt.«
    Ich lachte. »Sind wir jetzt zynisch oder was?«
    »>Oder was< trifft es ganz gut.«
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit der Gegend zu, die wir abfuhren. Wir waren nicht weit von meiner Wohnung entfernt. Den Cabana Boulevard hinunter, dann links über die Gleise. Die Eigentumswohnanlagen und kleinen Häuser machten allmählich Geschäftsgebäuden Platz: Lagerhäuser, Leichtindustrie, ein Fischgroßhändler, eine Umzugs- und Lagerfirma. Viele der Gebäude waren langgestreckt, flach und fensterlos. In einer Seitenstraße lag verborgen einer der beiden »Nur für Erwachsene«-Läden. Der zweite befand sich am unteren Ende der State Street, einige Blocks weiter. Hier standen in großen Abständen kleine, kahle Bäume. Die Straßenbeleuchtung erschien bläßlich im Kontrast zu den weiten, dunklen Flächen. Immer wieder kamen wir an kleinen Menschengruppen vorbei, fünf oder sechs Personen, die an Autos lehnten, Cliquen von Jugendlichen, deren Geschlecht schwer zu bestimmen war. Ihre Blicke folgten uns aufmerksam, und ihre Gespräche verstummten vorübergehend, wohl in der Hoffnung, daß mit uns das eine oder andere Geschäft zu machen sei. Sex oder Drogen. Das war vermutlich egal, solange nur Geld den Besitzer wechselte. Ich konnte durchs Autofenster das Haschisch riechen, während draußen die Joints kursierten.
    Das dumpfe Brummen von Bässen kündigte die Nähe des Etablissements an, das wir suchten.
    Neptune’s Palace war eine Mischung aus Bar und Billardsalon mit einem offenen Innenhof auf der einen Seite und einem weitläufigen, asphaltierten Parkplatz davor. Gäste standen sowohl im Hof als auch auf dem Parkplatz herum. Der gelbe Schein von Quecksilberdampflampen ergoß sich über die glänzenden Autodächer. Aus der Bar drang laute Musik. In der Nähe der Vorderseite des Lokals standen Mädchen an eine niedrige Mauer gelehnt und verfolgten mit Blicken die endlose Prozession vorüberfahrender Fahrzeuge, deren Insassen auf der Suche nach einem nächtlichen Abenteuer waren. Die Doppeltüren standen offen wie der Eingang zu einer Höhle, und das Rechteck aus gelbbraunem Licht verschwamm durch den Nebel aus Zigarettenrauch. Wir fuhren zweimal um den Block, und Cheney hielt Ausschau nach Danielle.
    »Keine Spur von ihr?« fragte ich.
    »Sie muß hier irgendwo sein. Für sie ist das hier wie das Arbeitsamt.«
    Um die Ecke, wo es ruhiger war, fanden wir einen Parkplatz. Wir stiegen aus, sperrten den Wagen ab und gingen an zahlreichen gleichgeschlechtlichen Pärchen vorüber, die uns amüsiert zu beäugen schienen. Heterosexuelle sind ja so was von out.
    Cheney und ich drängten uns bis zur Bar durch und mengten uns unter die angetrunkenen Gäste. Von der Tanzfläche dröhnte laute Musik herüber. Durch die feuchten, erhitzten Leiber war es hier drinnen fast tropisch. Zudem roch die Luft vom billigen Faßbier ganz salzig. Und überall Meeresmotive. Riesige Fischernetze hingen an Balken quer über die Decke, an der verspiegelte Glühbirnen wie Sonnenlicht auf dem Wasser glitzerten und eine Lightshow die Dämmerung auf dem Meer simulierte: der

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