Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
mit dem Mr. Ruggles. Es klingt absurd.«
»Ja, Sir.«
Das brachte mir ein angedeutetes Lächeln ein. Er drückte den Lappen aus und warf ihn mir mit einem Kopfschütteln zu. Ich wischte die Tischplatte und stellte dabei mehrere Gegenstände beiseite: Zeitung, Salz- und Pfefferstreuer, die wie Rotkäppchen und der böse Wolf geformt waren, und eine Reihe Pillenfläschchen, auf denen Dolores' Name sowie verschiedene Warnhinweise standen. Was auch immer sie da einnahm, sie sollte keinen Alkohol trinken, sich nicht intensiver Sonnenbestrahlung aussetzen und keine schweren Maschinen bedienen. Ich fragte mich, ob damit Autos, Traktoren oder Amtrak-Lokomotiven gemeint waren. Als ich fertig war, gab ich ihm den Lappen zurück, nahm das Geschirrtuch und rieb den Tisch trocken. »Also, worum geht's?« fragte er nachträglich. »Warum interessieren Sie sich für Pinkie Ritter? Ein anständiges Mädchen wie Sie sollte sich schämen.«
»Bis gestern hatte ich noch nie von ihm gehört. Ich war auf der Suche nach einem Freund von ihm, der eventuell... Könnten wir diesen Teil beiseite lassen? Es ist fast zu kompliziert, um es zu erklären.«
»Sie meinen Alfie Toth.«
»Danke. Genau den. Anscheinend weiß jeder über ihn Bescheid.«
»Nun ja, Alfie war ein Spatzenhirn. Frauen fanden ihn attraktiv, aber ich konnte das nicht begreifen. Wie kann man einen Mann anziehend finden, wenn man weiß, dass er dumm ist? In meinen Augen verdirbt das die ganze Wirkung. Ich glaube, er hat sich mit meinem Schwiegervater herumgetrieben, weil er sich von ihm Schutz versprochen hat, was ein weiterer Beweis dafür ist, wie bescheuert er war.«
»Sie wußten, dass Alfie tot ist.«
»Allerdings. Die Polizei hat es uns mitgeteilt, als seine Leiche gefunden wurde. Sie sind vorbeigekommen und haben uns die gleichen Fragen gestellt, auf die Sie vermutlich eine Antwort haben wollen, nämlich welche Verbindung zwischen den beiden bestand und wer wem was getan hat. Und ich gebe Ihnen die gleiche Antwort wie den Bullen: Ich weiß es nicht.«
»Was können Sie mir über Pinkie erzählen? Sie haben offenbar keine hohe Meinung von ihm.«
»Das ist eine krasse Untertreibung. Ich habe den Kerl aus tiefster Seele gehaßt. Wer auch immer Pinkie umgebracht hat, hat mir ein Leben im Knast erspart. Pinkie hatte sechs Kinder - drei Söhne und drei Töchter -, und er hat jedes einzelne von ihnen von Geburt an mißhandelt, bis sie groß genug wurden, um sich zu wehren. Heutzutage hört man überall dieses Gerede über Kindesmißhandlung, aber Pinkie hat es knallhart auf die Spitze getrieben. Er hat sie geschlagen, versengt und gezwungen, Essig und scharfe Soßen zu trinken, wenn sie ihm widersprochen haben. Er hat sie in Schränke gesperrt und in der Kälte ausgesetzt. Er hat sie gebumst, ausgehungert und bedroht. Er hat sie mit Gürteln, Brettern, Metallrohren, Stöcken, Haarbürsten und Fäusten verprügelt. Pinkie war der fieseste Dreckskerl, der mir je begegnet ist, und das will was heißen.« »Ist denn niemand eingeschritten?«
»Man hat es versucht. Eine Menge Leute haben ihn verpfiffen. Das Kunststück war nur, es auch zu beweisen. Lehrer, Erziehungsberater, die Nachbarn. Manchmal hat es das Jugendamt geschafft, ihm die Kinder wegzunehmen und in Pflegefamilien unterzubringen. Die Richter haben sie ihm jedesmal zurückgegeben.« Er schüttelte den Kopf. »Pinkie wußte, wie der Hase läuft. Er hat das Haus sauber gehalten - dafür haben die Kinder gesorgt -, und er kochte gern - das war seine Spezialität. Damit hat er auch sein Geld verdient, wenn er nicht gerade seinem Nachwuchs den Schädel einschlug oder ein Verbrechen beging. Wenn die Sozialarbeiter vorbeikamen, hatte es den Anschein, als sei alles in Butter. Die Kinder wußten genau, dass sie den Mund halten mußten. Dolores sagt, sie könne sich noch erinnern, wie sie alle sechs in einer Reihe im Wohnzimmer standen und artig Fragen beantwortet haben. Pinkie war nicht im Raum, aber auch nicht weit weg. Den Kindern war völlig klar, dass sie ihn nicht hinhängen durften, sonst wären sie am Abend tot. Also standen sie da und logen. Sie sagt, die Sozialarbei ter wußten Bescheid, hatten aber ohne Unterstützung durch die Kinder nichts gegen ihn in der Hand. Das einzige, was sie gerettet hat, war, dass er ins Gefängnis kam.«
»Und was war mit seiner Frau? Wo war sie die ganze Zeit?« »Dolores glaubt, dass er sie umgebracht hat, aber das ließ sich nicht beweisen. Er behauptet, sie sei mit
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