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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Freeway zog.
    Jetzt, wo die Sonne ganz untergegangen war, war das nachlassende Licht in Kohlschwarz übergegangen, und die Luft war vom Geruch nach Rasen durchdrungen. Die Fläche entlang der Straße war gut beleuchtet, aber die hinteren Bereiche der Gärtnerei lagen im Dunkeln. Ich kramte auf dem Rücksitz herum und fand eine mitteldicke Jeansjacke, von der ich hoffte, dass sie mich in der kalten Nachtluft warm halten würde. Ich schloss den Wagen ab und betrat das Gartencenter mit seinen grellen Neonlampen, die auf Regale voller Samenpäckchen und farbenfroher Topfpflanzen herabschienen.
    Das Mädchen am Verkaufstresen trug einen waldgrünen Kittel, auf dessen Tasche der Name Hirnes gestickt war. Als ich die Tür schloss, fächelte sie verstohlen durch die Luft. Sie war noch keine Zwanzig, hatte ausgetrocknete blonde Haare und trug dickes Puder-Make-up auf ihrem unreinen Teint. Die Luft roch nach einer gerade ausgedrückten Nelkenzigarette.
    »Hi. Ich suche Carlin. Ist er da?«
    »Wer?«
    »Carlin Duffy, der Typ mit dem Motorrad, der im Schuppen wohnt.«
    »Ach, Duffy. Der ist nicht da. Die Bullen haben ihm das Motorrad abgenommen und auf ihrem Gelände weggesperrt. Er meinte, es wird ihn eine Stange Geld kosten, es wiederzukriegen.«
    »Zum Kotzen.«
    »Er war stinksauer. Das sind ja solche Schweine.«
    »Unerträglich. Sind Sie mit ihm befreundet?«
    Sie zuckte die Achseln. »Meine Mum mag ihn nicht. Sie sagt, er ist ein Penner. Ich sehe nicht ein, was er dafür kann, wo er doch neu hier ist.«
    »Seit wann ist er denn hier?«
    »Vielleicht seit fünf oder sechs Monaten. Er ist kurz vor Weihnachten gekommen, so um den Dreh herum. Mr. Hirnes hatte den anderen Typen erwischt, diesen Marcel. Kennen Sie ihn?«
    »M-m.«
    »Marcel hat ein paar Pflanzen geklaut und sie auf der Straße verkauft. Mr. Hirnes hat den Blödmann in hohem Bogen hinausgeworfen, als er davon erfuhr.«
    »Und kurz darauf hat Duffy seinen Job bekommen?«
    »Ja, genau. Mr. Hirnes hatte keine Ahnung, dass Marcel ihn betrog, bis Duffy ihm eine Dieffenbachia abgekauft und sie hergebracht hat«, sagte sie. »Ich meine, Duffy ist schlau. Er hat auf den ersten Blick gewusst, dass es ein Schwindel ist. Er hat Marcel schätzungsweise nur ein oder zwei Dollar dafür bezahlt, und da klebt unser Preisschild — meinetwegen 12 Dollar 99 oder so — an der Seite.«
    »Und was war mit Marcel? Er hat doch garantiert Stein und Bein geschworen, dass er es nicht war, oder?«
    »Genau. So ein Trottel. Er tat ganz zerknirscht und betroffen, als wäre er völlig unschuldig. Na, wer’s glaubt. Er hat gemeint, er will klagen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie er das hinkriegen will.«
    »Sein Wort steht gegen das von Duffy, und wer wird ihm schon glauben? Ist Marcel vielleicht schwarz?«
    Sie nickte. »Sie wissen ja, wie sie sind«, sagte sie und rollte mit den Augen. Zum ersten Mal musterte sie mich. »Woher kennen Sie Duffy?«
    »Über seinen Bruder Ben.«
    »Duffy hat einen Bruder? Na, das ist aber seltsam«, meinte sie. »Er hat mir erzählt, alle seine Angehörigen wären tot.«
    »Sein Bruder ist auch schon seit Jahren tot.«
    »Oh. Wie schade.«
    »Wann kommt er denn wieder?«
    »Wahrscheinlich nicht vor zehn, wenn wir schon lange geschlossen haben.«
    »So ein Mist.«
    »Hat er gesagt, Sie sollen hier auf ihn warten?«
    »Nee. Ich habe ihn im Tonk getroffen und dann aus den Augen verloren.«
    »Vermutlich ist er heute Abend dort«, sagte sie hilfsbereit. »Möchten Sie telefonieren? Sie könnten ihn ausrufen lassen. Er ist mit dem Besitzer befreundet. Ich glaube, er heißt Tim.«
    »Tatsächlich? Tim kenne ich«, sagte ich. »Vielleicht fahre ich kurz rüber. Es ist ja nicht weit. Wenn er in der Zwischenzeit kommt, richten Sie ihm bitte aus, dass ich hier war. Ich würde gern mit ihm sprechen.«
    »Worüber?«
    » Worüber ?«, wiederholte ich.
    »Falls er fragt«, sagte sie.
    »Es ist eine Art Überraschung.«

20

    Ich fuhr langsam den Parkplatz gegenüber dem Honky-Tonk ab und fand wundersamerweise sechs Parklücken weiter einen freien Platz. Es war noch nicht ganz neun, und die Samstagabendsäufer trudelten erst nach und nach ein. Das Tonk begann erst gegen zehn zu kochen, wenn die Band kam. Ich überquerte die Straße und registrierte einen rot-weißen Lieferwagen, der im Leerlauf neben den Mülltonnen stand. Der Fahrer war nirgends zu sehen, aber das Logo auf der Seite lautete PLAS-STOCK. Ich sah, dass im zweiten Stock des Gebäudes Licht brannte.

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