Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
stehen und sagte: »Ich suche Porter Yount.«
Ein Mann am anderen Ende der Bar hob die Hand.
Den herumwirbelnden Köpfen nach zu urteilen, war meine Ankunft das interessanteste Ereignis, seit 1937 der Ohio über seine Ufer getreten war. Bei Yount angekommen, streckte ich die Hand aus und sagte: »Mein Name ist Kinsey Millhone.«
»Nett, Sie kennen zu lernen«, sagte er.
Wir schüttelten uns die Hände, und ich setzte mich auf den Hocker neben seinem.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte ich.
»Nicht schlecht. Danke der Nachfrage.« Porter Yount war massiv gebaut, hatte eine raue Stimme und war schon über Achtzig. Er war fast völlig kahl, doch seine Brauen waren noch dunkel, ein widerspenstiges Gewirr über Augen von einem verblüffenden Grün. Momentan war sein Blick vom Bourbon verschwommen, und sein Atem roch nach englischem Kuchen. Ich sah den Barkeeper in unsere Richtung kommen. Vor uns blieb er stehen.
Yount zündete sich eine frische Zigarette an und wandte mir das Gesicht zu. Es fiel ihm schwer, scharf zu sehen. Sein Mund schien zu funktionieren, aber seine Augäpfel kullerten herum wie zwei grüne Oliven in einer leeren Schale. »Was trinken Sie?«
»Wie wär’s mit einem Fehr’s?«
»Fehr’s ist nichts für Sie«, entgegnete er. Und zum Barkeeper sagte er: »Die Lady möchte einen Schuss Early Times mit Wasser extra.«
»Lieber ein Bier«, korrigierte ich.
Der Barkeeper fasste in einen Kühlschrank, holte das Bier heraus, machte es auf und stellte es vor mich hin.
Mürrisch sagte Yount: »Gib der Lady ein Glas. Wo sind denn deine Manieren geblieben?«
Der Barkeeper stellte ein Glas vor mich hin, und Yount sprach ihn erneut an. »Wer kocht heute Abend?«
»Patsy. Willst du die Karte sehen?«
»Hab ich das gesagt? Die Lady und ich möchten jetzt ein bisschen ungestört sein.«
»Oh, klar.« Der Barkeeper ging ans andere Ende des Tresens, an Younts Art offenbar gewöhnt.
Yount schüttelte genervt den Kopf, und sein Blick wanderte erneut in meine Richtung. Sein Kopf war kugelrund und saß fast ohne Hals dazwischen mitten auf seinen Schultern. Sein Hemd war aus dunklem Polyesterstoff, den er vermutlich gewählt hatte, weil er Flecken kaschierte und leicht zu waschen war. Dunkle Hosenträger hielten seine Hose hoch über der Taille fest. Er trug dunkle Sandalen und Socken, über denen zwei Zentimeter Schienbein heraussahen. »Klamotten in Ordnung? Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, hätte ich mich in den Sonntagsstaat geworfen«, sagte er sarkastisch.
Ich musste lachen. Dann sagte ich. »Tut mir Leid. Ich sehe mir eben alles ganz genau an.«
»Das ist keine schlechte Eigenschaft. Sind Sie Journalistin?«
Ich schüttelte den Kopf. »Privatdetektivin. Ich versuche, etwas über Duncan Oaks herauszufinden. Erinnern Sie sich an ihn?«
»Natürlich. Sie sind schon der zweite Detektiv, der diesen Monat hierher kommt und nach ihm fragt.«
»Sie haben mit Mickey Magruder gesprochen?«
»Genau mit dem«, bestätigte er.
»Das hab ich mir gedacht.«
»Warum hat er Sie geschickt? Hat er mir nicht geglaubt?«
»Er hat nicht mit mir gesprochen. Er ist letzte Woche angeschossen worden und liegt seither im Koma.«
»Tut mir Leid, das zu hören. Er ist intelligent. Der erste Mann, der mir begegnet ist, der Glas für Glas mit mir mithalten konnte.«
»Das hat er wirklich raus. Jedenfalls tue ich mein Möglichstes, um seine Ermittlungen fortzusetzen. Es ist schwierig, da ich nicht genau weiß, wie weit er gekommen ist. Ich hoffe, es stellt sich nicht am Ende als Verschwendung Ihrer Zeit heraus.«
»Trinken ist Zeitverschwendung, aber nicht mit hübschen Ladys plaudern. Warum das plötzliche Interesse an Oaks?«
»Sein Name ist in Verbindung mit einer anderen Geschichte aufs Tapet gekommen — etwas in Kalifornien, woher ich komme. Ich weiß, dass er früher für die Tribune gearbeitet hat. Ihr Name stand auf seinem Presseausweis, also dachte ich, ich rede mal mit Ihnen.«
»Völlig für die Katz, wenn Sie mich fragen. Er ist seit zwanzig Jahren tot.«
»Das habe ich auch gehört. Entschuldigen Sie die Wiederholung, aber wenn Sie mir sagen, was Sie Mickey erzählt haben, können wir vielleicht herausfinden, ob Oaks eine Rolle spielt.«
Yount trank einen Schluck Whiskey und streifte die Asche seiner Zigarette ab. »Er war Kriegsberichterstatter — reichlich hochtrabender Titel für ein Blatt wie die Trib. Ich glaube, nicht einmal der Courier-Journal hatte damals einen Korrespondenten. Das war
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