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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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und ihre Gesichtszüge feiner wirken. Ihre Haut war fahl, und sie hatte dunkle Schatten unter den Augen, Linien auf der Stirn und Falten am Hals. Kaum zu glauben, dass sie sich keine kleine chirurgische Auffrischung gegönnt hatte. Aber auch so sah sie glamourös aus. Ihre Haltung hatte etwas Resolutes, Sprödes an sich. Sie schien zu wissen, wer ich war, und in ihrer Stimme lag eine künstliche Wärme, als sie mich begrüßte. »Kinsey. Wie nett. Das ist ja eine unglaubliche Überraschung. Stephie sagte, dass du da bist. Wir haben uns ja Jahre nicht gesehen.«
    »Hallo, Dixie. Du siehst fantastisch aus. Ich war mir nicht sicher, ob du dich an mich erinnern würdest.«
    »Wie könnte ich dich vergessen?«, erwiderte sie. »Schade, dass du Eric verpasst hast.« Ihr Blick erfasste mich ohne jeden Funken von Interesse. Wie sie trug ich Jeans, obwohl meine nicht modisch geschnitten, sondern von der Sorte waren, die man zum Autowäschen trägt oder wenn man Haarklumpen aus den Abflussrohren im Badezimmer klaubt. In den Jahren, seit ich Dixie zuletzt gesehen hatte, war sie die soziale Leiter emporgestiegen und hatte eine fast unbeschreiblich elegante Ausstrahlung gewonnen. Wozu Brillanten tragen, wenn es Plastik auch tat? Ihre Jacke war in der für edle Stoffe — Leinen und Seide — typischen Art zerknittert. Sie wissen schon, wie es mit diesem Scheiß ist.
    Sie sah auf die Uhr, die sie an der Innenseite des Handgelenks trug. Es war ein Modell aus den vierziger Jahren: ein winziges Uhrglas, umgeben von klitzekleinen Brillanten an einem schwarzen, geflochtenen Band. Ich hatte auf dem Flohmarkt schon hübschere Exemplare gesehen, was aber nur beweist, wie wenig ich von diesen Dingen verstehe. Ihre war vermutlich ein seltenes Stück, das Leute, die in denselben vornehmen Geschäften einkauften wie sie, auf den ersten Blick erkannten. »Möchtest du etwas trinken?«, fragte sie. »Es ist schon fast Cocktailstunde.«
    Auf meiner Uhr war es zehn nach vier. Ich sagte: »Klar, warum nicht?« Fast hätte ich einen Witz über Crème-de-menthe-Frappés gemacht, aber urplötzlich war ein Schwarzer mit einem weißen Jackett aufgetaucht, ein Silbertablett in der Hand. Ein eigener Barkeeper? Das wurde ja immer besser.
    »Was möchtest du denn?«, fragte sie.
    »Chardonnay wäre mir recht.«
    »Wir sind dann draußen auf der Terrasse«, bemerkte sie, ohne ihren treuen Diener direkt anzusprechen. Mannomann. Ein weiteres Rädchen in der namenlosen Klasse der Dienstboten. Ich registrierte, dass Dixie nicht erwähnen musste, was sie heute Nachmittag trinken würde.
    Ich folgte ihr durch das Esszimmer mit seinem Marmorfußboden. Der Tisch war eine Rhombenform aus Kirschholz, umstanden von genügend Stühlen für eine zwölfköpfige Gesellschaft. Etwas kam mir ungewöhnlich vor, und ich brauchte einen Moment, um herauszufinden, was es war. Es gab keine Stufen, keine verschiedenen Ebenen und weder Teppiche noch Teppichboden. Ich dachte an Eric in seinem Rollstuhl und fragte mich, ob die Böden ihm zuliebe kahl gelassen worden waren.
    Es kam mir seltsam vor, dass Dixie mich noch nicht nach dem Grund für meinen unangekündigten Besuch gefragt hatte. Vielleicht hatte sie all die Jahre auf mich gewartet und Antworten auf zahlreiche imaginäre Unterhaltungen eingeübt. Sie hatte ja stets gewusst, dass sie mit Mickey herumgebumst hatte, während ich es gerade erst erfahren hatte, was mich ins Hintertreffen brachte. Ich stelle mich nicht oft im verbalen Wettstreit gegen andere Frauen, trotzdem besitzen solche Zusammenstöße für mich durchaus einen gewissen lustvollen Reiz. Ich dachte an all die von Männerfantasien geprägten Filme, in denen Frauen wie Straßenkatzen kämpfen und sich an den Haaren ziehen, während sie sich auf dem Boden wälzen. Ich hatte nie viel Gelegenheit dazu gehabt, aber vielleicht änderte sich das nun. Ich spürte bereits, wie ich Tuchfühlung zu meiner »inneren« fiesen Ader aufnahm.
    Dixie zog eine gläserne Schiebetür auf, und wir traten auf eine große, windgeschützte Terrasse hinaus. Der Fußboden hier bestand aus glattem Stein, und die Fläche schloss mit einer Reihe sechs Meter hoher Bäume in riesigen Terrakottakübeln ab. Die Zweige saßen voller Stieglitze, die allesamt zwitscherten, während sie von Ast zu Ast hüpften. Daneben stand eine Sitzgruppe mit gepolsterten Gartenmöbeln: ein Tisch mit Glasplatte und vier Sessel mit weichen Kissen. Alles wirkte makellos, und ich fragte mich, wohin die kleinen

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