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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Worten, nein.«
    »Zwischen Mickey und mir bestand keine emotionale Bindung. Warum unnötigen Schmerz verursachen?«
    »Vielleicht einfach nur, damit die jeweiligen Ehepartner die Wahrheit erfahren? So lange es nicht mit Liebe verbunden war — so lange es nur eine sexuelle Dienstleistung war, wie du behauptest — warum konntet ihr es uns nicht sagen?«
    Sie schwieg und starrte mich mit großen Augen an.
    »Die Frage ist nicht hypothetisch. Ich will es wirklich wissen«, erklärte ich. »Warum nicht aufrichtig zu uns sein, wenn eure Beziehung so wenig bedeutet hat?« Ich wartete. »Okay. Ich helfe dir. Willst du die Antwort wissen? Versuch’s mal damit. Weil wir euch beide in den Arsch getreten und der Sache ein Ende gemacht hätten. Ich weiß nicht, wie Eric dazu steht, aber ich habe kein Verständnis für Untreue.«
    »Vielleicht gibt es Aspekte von Loyalität, die du nie begriffen hast«, meinte sie.
    Ich schloss kurz die Augen. Am liebsten hätte ich ihre vorderen Stuhlbeine gepackt und sie nach hinten gekippt, nur um die Befriedigung zu erleben, ihren Kopf auf den Steinfußboden prallen zu hören. Stattdessen wiederholte ich im Stillen, was ich noch aus dem Strafgesetzbuch wusste: »Ein Angriff ist der gesetzwidrige Versuch, verbunden mit der tatsächlichen Fähigkeit, die Person eines anderen gewaltsam zu verletzen. Körperverletzung ist jeder vorsätzliche und gesetzwidrige Einsatz von Schmerz oder Gewalt gegen die Person eines anderen.«
    Ich lächelte. »Findest du, es war okay, uns zum Narren zu halten? Eure Gelüste auf unsere Kosten auszuleben? Wenn du das für Loyalität hältst, bist du echt Abschaum.«
    »Du brauchst nicht ausfallend zu werden.«
    Von der anderen Seite der Terrasse her sagte jemand etwas. »Entschuldigung. Dixie?«
    Wir sahen beide hinüber. Stephie stand in der Tür.
    Ausnahmsweise wirkte Dixie verlegen, und das Blut stieg ihr in die Wangen. »Ja, Stephie? Was gibt’s?«
    »Ms. Yablonsky ist da. Möchten Sie jetzt mit ihr sprechen, oder soll ich einen neuen Termin vereinbaren?«
    Dixie schnaubte ungehalten und drückte ihre Zigarette aus. »Lassen Sie sie in meinem Büro warten. Ich komme gleich.«
    »Ich finde, das ist weit genug gegangen«, sagte Dixie zu mir. »Offensichtlich genießt du es, dich aufs hohe Ross zu setzen. Du hast dich ja schon immer gern auf eine moralisch höhere Ebene gestellt...«
    »Genau. Das stimmt. In diesem Fall tue ich das auch zu Recht.«
    »Wenn du ausgetrunken hast, findest du ja allein hinaus.«
    »Danke. Es war wirklich nett. Du hast dich überhaupt nicht verändert.
    »Du dich auch nicht«, sagte sie.

7

    Ich war schon halb die Einfahrt hinunter und auf dem Weg zur Straße, als ich einen Wagen entgegenkommen sah. Es war ein speziell umgebauter Van, wie ich noch nie einen gesehen hatte: schnittig, schwarz und kastenförmig und mit Eric Hightower am Steuer. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn erkannt hätte, wenn ich nicht ohnehin halb damit gerechnet hätte, ihn zu sehen. Ich bremste den VW auf Schritttempo ab und tippte auf die Hupe, während ich mein Fenster herunterkurbelte. Er rollte bis auf meine Höhe, hielt dann an und ließ seinerseits das Fenster herunter. Unter dem ärmellosen T-Shirt, das er trug, wirkten seine wuchtigen Schultern und Muskeln glatt und gebräunt. In den Zeiten des Honky-Tonk war sein Blick stets glasig und seine Haut so bleich gewesen wie die eines Mannes, der es zur Wissenschaft erhoben hat, seine Medikamente mit Alkohol, LSD und Gras zu mischen. Damals war sein Bart schütter gewesen, und er hatte sein glattes schwarzes Haar lose über die Schultern fallen lassen oder einen Pferdeschwanz getragen, den er mit einem Stofffetzen zusammengebunden hatte.
    Der Mann, der mich neugierig vom Fahrersitz des Vans musterte, war wieder bei guter Gesundheit. Sein Kopf war nun rasiert, sein Schädel so glatt wie der eines Säuglings. Verschwunden waren der Bart und der trübe Blick. Ich hatte Fotos von Eric in Uniform gesehen, bevor er nach Vietnam ging: jung und gut aussehend, einundzwanzig Jahre alt und vom Leben noch weitgehend unberührt. Als er nach zwei Dienstzeiten in die Welt zurückkehrte, sah er ausgemergelt und geschlagen, verbittert und in sich gekehrt aus. Vieles schien ihm im Kopf herumzuspuken, aber nichts davon konnte er uns anderen vermitteln. Und keiner von uns wagte zu fragen. Ein Blick in sein Gesicht genügte, um uns davon zu überzeugen, dass das, was er gesehen hatte, höllisch gewesen war und keine nähere

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