Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
meinem Schreibtisch konnte ich das Lämpchen an meinem Anrufbeantworter fröhlich blinken sehen. Verflucht. Wäre das nicht gewesen, wäre ich ins Bett zurückgekrochen und hätte bis zum nächsten Morgen durchgeschlafen.
Ich zog einen Bademantel an und tapste barfuß die Treppe hinunter. Dann drückte ich auf »Play« und lauschte einer Nachricht von Cordia Hatfield, der Hausmeisterin von Mickeys Haus. »Kinsey, vielleicht könnten Sie uns kurz anrufen, wenn Sie nach Hause kommen. Es gibt da etwas, das Sie wissen sollten.«
Sie hatte um Viertel vor neun angerufen, also dachte ich, es spräche wohl nichts dagegen, noch zurückzurufen. Ich wählte die Nummer, und Cordia nahm ab, bevor ich das Telefon auch nur ein einziges Mal hatte klingeln hören. »Hallo?«
»Cordia, sind Sie’s? Hier ist Kinsey Millhone aus Santa Teresa. Das Telefon hat doch noch gar nicht geklingelt.«
»Also, bei uns schon. Hören Sie, der Grund, aus dem ich angerufen habe, ist, dass, kurz nachdem Sie gegangen sind, dieser Detective vorbeigekommen ist. Er hat sich eine ganze Weile oben in 2-H aufgehalten, und als er fertig war, kam er wieder runter. Er wirkte beunruhigt und fragte, ob irgendjemand drinnen gewesen sei. Wir stellten uns dumm. Er war reichlich hartnäckig, aber keine von uns hat einen Ton gesagt.«
»Ah. War es der große Dunkle, dieser Detective Aldo?«
»Genau der. Wir sind alt. Was wissen wir schon, wo doch all unsere Gehirnzellen abgestorben sind. Wir haben ihn nicht direkt angelogen, aber ich fürchte, wir haben uns ein bisschen um die Wahrheit gedrückt. Ich habe gesagt, dass ich durchaus in der Lage sei, die Mieten zu kassieren und den Klempner zu rufen, wenn eine Toilette verstopft ist, aber ich schleiche nicht herum und spioniere den Mietern nach. Was sie treiben, ist ihre Sache. Dann habe ich ihm meinen Fuß gezeigt und ihm erklärt, dass ich mit meinem entzündeten Fußballen froh sein kann, wenn ich überhaupt noch beweglich bin. Ich kann nicht die Treppen rauf und runter rennen. Danach hat er das Thema gewechselt.«
»Was hat ihn denn misstrauisch gemacht? Hat er irgendetwas erwähnt?«
»Er meinte, es fehlte etwas, aber er wollte nicht verraten, was. Er hatte eine Kiste voller Sachen dabei und sagte mir, dass er das polizeiliche Absperrband entfernt hätte. Nachdem es ja so viel genutzt hatte, wie er es formulierte. Er war ziemlich sauer deswegen, das kann ich Ihnen sagen.«
»Danke für die Warnung.«
»Gern geschehen. Der Hauptgrund, warum ich anrufe, ist, dass Sie jetzt jederzeit reingehen können, aber nicht mehr lange. Die Eigentümer wollen Mr. Magruder draußen haben. Ich vermute, der Detective hat die Hausverwaltung verständigt, daher wissen sie, dass er im Koma liegt. Sie sind sofort darauf angesprungen und haben seinen Zustand ausgenutzt. Die sollten sich was schämen. Jedenfalls, wenn Sie die Wohnung eventuell mieten wollen, sollten Sie sich umsehen.«
»Das tue ich vielleicht. Wann würde es denn passen?«
»Je früher, desto besser. Sie sind doch nur zwei Stunden weit weg.«
»Sie meinen heute Abend?«
»Ich glaube, da wären Sie gut beraten. Die Eigentümer haben ihm bereits eine Verfügung zugestellt, der zufolge er binnen dreier Tage zahlen oder ausziehen muss, also könnte der Sheriff theoretisch morgen früh ein neues Schloss an die Wohnungstür schrauben.«
»Können wir etwas tun, um das zu verhindern?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Und wenn ich seine Schulden bezahle, zuzüglich der Miete für nächsten Monat? Würde das das Vorhaben nicht aufhalten?«
»Das bezweifle ich. Sobald ein Mieter zu spät oder überhaupt nicht mehr zahlt, möchten die Eigentümer lieber, dass die Wohnung geräumt wird und jemand anders einzieht.«
Ich dachte an die Fahrt und rollte genervt die Augen. »Wenn ich das doch nur gewusst hätte, als ich heute unten war.«
»Wenn Sie kommen wollen, beeilen Sie sich lieber. Aber es ist natürlich allein Ihre Entscheidung.«
»Cordia, es ist schon fast halb zehn. Wenn ich jetzt noch fahre, muss ich auf jeden Fall zuerst packen und tanken, was hieße, dass ich vermutlich nicht vor Mitternacht ankäme.« Ich erwähnte nicht, dass ich praktisch nackt war.
»Für uns ist das nicht spät. Bel und ich brauchen nur vier Stunden Schlaf, daher bleiben wir ewig lang auf. Wenn Sie gleich kämen, hätte das den Vorteil, dass Sie jede Menge Zeit hätten und kein Mensch Sie stören würde.«
»Mickeys Nachbarn würden es nicht merken, wenn bei ihm Licht
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