Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
der Küche der Hatfields brannte Licht. Ich klopfte an die Tür, und Cordia ließ mich ein. Bel schlief im Sitzen auf ihrem Sessel, und so unterhielten Cordia und ich uns flüsternd, während sie mir das Gästezimmer mit dem daneben liegenden Bad zeigte. Dorothy folgte uns wie ein junges Kätzchen und sorgte dafür, dass sie im Mittelpunkt jedes Gesprächs stand. Mehr als einmal musste ich stehen bleiben, um sie hinter den Ohren zu kraulen. Ich warf meine Umhängetasche aufs Bett. Dorothy meldete auf der Stelle Besitzansprüche an und nutzte ihre gesamten zehn Kilo, um den Inhalt der Tasche platt zu drücken und zu zerquetschen. Als ich einen letzten Blick auf sie warf, hatte sie sich schon breit gemacht wie eine Henne auf einem Nest voller Eier.
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Ich ging die Vordertreppe hinauf und den Außengang entlang, indem ich mit der größeren meiner beiden Taschenlampen vor mir her leuchtete. Die beiden Wohnungen, an denen ich vorüberkam, lagen im Dunkeln, und ihre offen stehenden gläsernen Schiebefenster führten vermutlich in Schlafzimmer. Ich setzte meinen Weg um die Ecke fort, wo ich mit dem Schlüssel, den ich stibitzt hatte, Mickeys Hintertür aufschloss und hineinging. Ich überlegte, ob ich die Tür unversperrt lassen oder abschließen sollte und entschied mich dann fürs Abschließen. Normalerweise hätte ich vorgezogen, die Tür angelehnt zu lassen, falls ich überstürzt verschwinden musste, aber mir war mulmig, und ich wollte die Möglichkeit ausschalten, dass mich jemand überraschte. Ich durchquerte die Wohnung, bis ich im Wohnzimmer anlangte. Das einzige Licht war ein schmaler Streifen, der zwischen den Vorhangbahnen in der L-förmigen Essecke vom Außengang hereinkam. Ich benutzte den Strahl der Taschenlampe wie ein Schwert, mit dem ich die Finsternis durchschnitt. Seit ich letztes Mal hier gewesen war, hatte sich jemand von der Spurensicherung mit seinen Bürstchen zu schaffen gemacht und auf unzähligen Flächen Puderspuren hinterlassen. Schnell sah ich mich in Essecke und Küche um und ging dann durch Schlafzimmer und Bad, um mich zu vergewissern, dass ich allein war.
Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück, schloss die Ritzen zwischen den Vorhängen und streifte meine Gummihandschuhe über. Obwohl die Polizei schon da gewesen war, wollte ich keine Beweise dafür hinterlassen, dass ich die Wohnung betreten hatte.Warum sollte ich aus meinem kleinen Abstecher durch Ted Richs Hundetür nicht etwas lernen? Ich schaltete das Deckenlicht an, allerdings nicht ohne Mickeys 6o-Watt-Birne gegen eine mit 200 Watt auszutauschen, die ich mitgebracht hatte. Selbst ein oberflächlicher Blick zeigte mir, dass Detective Aldo da gewesen war. Küchenschränke standen offen. Die gesamte Post war weg, und das Goldfischglas mit den Streichholzbriefchen war auf den Esstisch gekippt worden. Ich malte mir aus, wie die Polizei die Sammlung nach Hinweisen durchsuchte und sich sorgfältig aufschrieb, welche Bars und Restaurants Mickey besucht hatte. In Wirklichkeit stammte garantiert nur die Hälfte der Streichhölzer von den Lokalen, in denen er verkehrte. Der Rest waren Heftchen, die andere Leute ihm von Reisen mitgebracht hatten, eine Gewohnheit, die noch aus seiner Jugend übrig geblieben war, als er Hunderte dieser Dinger gesammelt und in Alben einsortiert hatte. Wer weiß, warum Kinder solchen Schwachsinn treiben.
Ich machte mich an die Arbeit und leerte methodisch die Miniatur-Safes aus, die er hinter den Steckdosenverkleidungen angelegt hatte. Die drei Sätze falsche Papiere, die Kreditkarten und das Bargeld verschwanden in meinem Matchsack. Eine lange Zeit verbrachte ich in seiner Küche, wo ich sämtliche Behälter mit einem feinzinkigen Kamm durchsiebte sowie in, hinter und unter Schubladen schaute. Erneut zog ich die Zwanzig-Liter-Kanister voller Wasser unter der Spüle hervor und schraubte die Rückwand ab. Diesmal nahm ich die Pistolen aus den Ständern, die er gebaut hatte, und legte sie zu den Papieren in meinen Matchsack.
Ich ging ins Schlafzimmer und zog die Chenilletagesdecke und die Laken von seinem Bett. Geschmacklos wie ich bin, suchte ich nach Hinweisen auf sexuelle Exzesse in letzter Zeit, fand aber keine. Ich hob die Matratze hoch und suchte sie nach Anzeichen dafür ab, dass er eine Naht aufgetrennt und wieder zugenäht hatte. Gute Theorie, kein Ergebnis. Ich legte mich auf den Rücken und rutschte unters Bett, wo ich den dünnen Stoff wegzog, der die Unterseite der Sprungfedern bedeckte. Ich leuchtete
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