Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
hatte oder nicht. Ich nahm an, dass er irgendwann in diesem Zeitraum mit den Gebühren für seinen Lagerraum in Rückstand geraten war.
Bis April war seine Telefonrechnung bereits überfällig, und sein Anschluss musste gesperrt worden sein, bevor er es schaffte, die Zahlung zu leisten. Das Bargeld, das er versteckt hatte, stellte vermutlich die letzte Rettung dar, einen Notgroschen, den er erst auszugeben bereit war, wenn seine Lage verzweifelt wurde. Vielleicht hatte er vor zu verschwinden, wenn all seine anderen Ressourcen erschöpft waren.
Am fünfundzwanzigsten März fand sich eine einmalige Einzahlung von 900 Dollar. Ich vermutete, dass das aus dem Verkauf seines Autos stammte. Zwei Tage später, am siebenundzwanzigsten, war eine bescheidene Einzahlung von 200 Dollar vorgenommen worden, die es ihm erlaubte, seine Gas- und Stromrechnung zu bezahlen. Mir fiel auf, dass die 200 Dollar genau an dem Tag auftauchten, als der Anruf von seiner Wohnung an meinen Anrufbeantworter gegangen war. Hatte ihn jemand bezahlt, um das Telefon benutzen zu dürfen? Das wäre ja sonderbar. Auf jeden Fall hatte er sich vermutlich erhofft, die Zwangsräumung noch ein oder zwei Monate hinausschieben zu können, und dann was? Wollte er sein Geld und seine verschiedenen falschen Papiere nehmen und Kalifornien verlassen? Irgendetwas daran störte mich. Mickey war fanatisch, was Ersparnisse anging. Er vertrat die Überzeugung, dass jeder das Einkommen von mindestens sechs Monaten auf der Bank — oder unter der Matratze, was ihm sicherer erschien — liegen haben sollte. Er war ein derartiger Spinner in dieser Hinsicht, dass ich es mir seither selbst angewöhnt habe. Er musste irgendwo ein zweites Sparkonto haben. Hatte er das Geld auf einem Depositenkonto oder einer Rentenkasse seines Arbeitgebers angelegt? Ich wusste ja nicht einmal genau, warum er gefeuert worden war. War er betrunken im Dienst erschienen? Ich saß da und grübelte darüber nach. Dann rief ich die Auskunft von Los Angeles an und ließ mir die Nummer der Pacific Coast Security in Culver City geben. Ich ging davon aus, dass ich genügend Daten besaß, um mich durchzuschwindeln. Ich wusste sein Geburtsdatum und seine momentane Adresse. Seine Sozialversicherungsnummer wäre nützlich gewesen, aber das einzige, was ich davon noch wusste, waren die letzten vier Ziffern: 1776. Mickey hatte stets betont, dass die Zahl dieselbe war wie das Jahr, in dem die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet worden war.
Ich wählte die Nummer der Pacific Coast Security und hörte das Telefon klingeln, während ich mir zurechtlegte, was ich sagen wollte. In diesem Fall bestimmt nicht die Wahrheit. Als am anderen Ende abgenommen wurde, ließ ich mich mit der Personalabteilung verbinden. Die Frau, die sich meldete, klang, als sei sie schon halb auf dem Heimweg. Es war kurz vor fünf, und vermutlich war sie gerade dabei, ihren Schreibtisch aufzuräumen. »Personalabteilung, Mrs. Bird«, sagte sie.
»Oh, hallo. Hier ist Mrs. Weston von der Rechnungsabteilung der Uni-Klinik Los Angeles. Wir rufen wegen eines Patienten an, der auf unserer Intensivstation liegt. Soweit wir wissen, ist er bei der Pacific Coast Security angestellt, und wir würden uns gern von Ihnen bestätigen lassen, dass er versichert ist.«
»Natürlich«, sagte sie. »Wie heißt der Angestellte?«
»Der Familienname ist Magruder. M-A-G-R-U-D-E-R. Vorname Mickey. Vielleicht haben Sie ihn als Michael eingetragen. Mittelinitial B. Privatadresse 2805 Sepulveda Boulevard, Geburtsdatum 16. September 1933. Wurde vom Notarzt am 14. Mai eingeliefert. Wir haben keine vollständige Sozialversicherungsnummer, daher wären wir froh, wenn Sie uns die nennen könnten.«
Ich hörte die Frau in mein Ohr atmen. »Davon haben wir gehört. Der arme Mann. Aber wie ich den Polizisten bereits sagte, arbeitet Mr. Magruder leider nicht mehr bei uns. Er wurde zum 28. Februar freigestellt.«
»Heißt das so viel wie gefeuert?«
»Richtig.«
»Ach du liebe Zeit. Weshalb denn?«
Sie hielt inne. »Darüber darf ich nicht sprechen, aber es hatte mit A-l-k-o-h-o -l zu tun.«
»So ein Jammer. Und was ist mit seiner Krankenversicherung? Besteht eventuell die Möglichkeit, dass sein Versicherungsschutz verlängert wurde?«
»Unseren Unterlagen nach nicht.«
»Tja, das ist aber seltsam. Er hatte eine Versichertenkarte in der Brieftasche, als er eingeliefert wurde, und wir hatten den Eindruck, seine Deckung sei noch gültig. Ist er bei einer anderen
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