Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
Feiertag auftauchen. Die letzteren bleiben nicht lange bei der Stange, aber es tut ihnen trotzdem gut. Besser, sich ein bisschen anzustrengen, als sein Leben lang gar nichts zu tun. Ich lag irgendwo dazwischen.
Ich begann mit Beinstrecken und Beincurlen, und schon bald begannen meine Muskeln zu schmerzen. Bauch, Kreuz, dann Butterfly und Bankdrücken und weiter mit Schultern und Armen. Zu Beginn einer Trainingseinheit schüchtert einen schon allein die Anzahl der Körperteile multipliziert mit der Anzahl der geforderten Wiederholungen jeder einzelnen Übung ein, aber irgendwie zieht einen das Unterfangen in seinen Bann — man findet sich mit der Qual ab. Auf einmal merkte ich, dass ich bereits an den letzten beiden Geräten trainierte, abwechselnd an Bizeps und Trizeps. Und dann hatte ich das Studio auch schon wieder verlassen, verschwitzt und bei bester Laune. Manchmal kugle ich mir schier den Arm aus, weil ich mir so begeistert auf die Schulter klopfe.
Wieder zu Hause, warf ich die Kaffeemaschine an, machte das Bett, duschte, zog mich an und aß eine Schüssel Cornflakes mit fettarmer Milch. Dann setzte ich mich mit meinem Kaffee hin und las die Lokalzeitung. Je später der Tag, desto mehr wird mein Flirt mit einem gesunden Lebensstil von einem Hang zur Selbstmisshandlung überrollt, vor allem, wenn es um Fast Food geht. Speisen mit hohem Fettgehalt sind mein Untergang, ebenso alles mit Salz, Zusatzstoffen, Cholesterin und Nitraten. Paniert und frittiert oder in Butter sautiert, mit Käse überladen, dick mit Mayonnaise bestrichen, triefend von Fleischsaft — welches Nahrungsmittel könnte man durch entsprechende Zubereitung nicht verbessern? Als ich die Zeitung zu Ende gelesen hatte, war mir fast schwindlig vor Hunger, und ich musste noch mehr Kaffee in mich hineinkippen, um meinen Appetit zu dämpfen. Danach brauchte ich nur noch einen dicken Klumpen Erdnussbutter mit Stückchen, den ich vom Löffel leckte, während ich mich an meinem Schreibtisch niederließ. Ich hatte beschlossen, mir den Gang ins Büro zu ersparen, da ich am Tag zuvor pflichtbewusst sämtliche Schreibarbeiten nachgeholt hatte.
Ich legte Detective Aldos Visitenkarte vor mich auf die Tischplatte und wählte die Nummer von Mark Bethels Kanzlei. Im Grunde hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, ihn je persönlich an die Leitung zu bekommen. Und tatsächlich — er war nach L.A. gefahren, um auf einer Wahlkampfveranstaltung aufzutreten. Ich erzählte Judy von Mickey, und sie gab die übliche Litanei von sich, indem sie Betroffenheit, Entsetzen und Unbehagen angesichts der Unwägbarkeiten des Lebens äußerte.
»Kann Mark irgendwie helfen?«, fragte sie.
»Deshalb rufe ich ja an. Würden Sie ihn bitten, mit Detective Aldo zu sprechen und herauszufinden, was eigentlich vor sich geht? Mir sagen sie es nicht, aber Mark vielleicht schon, da er Mickeys Anwalt ist — oder es zumindest war.«
»Das macht er sicher. Haben Sie eine Nummer?«
Ich nannte ihr die Nummer und dazu noch den Namen von Detective Lelix Claas. Außerdem gab ich ihr Mickeys Adresse in Culver City.
»Ich schreibe es ihm auf. Er wird Sie zurückrufen, wenn er es erledigt hat. Vielleicht kann er sogar Kontakt zu Detective Aldo aufnehmen, so lange er noch in Los Angeles ist.«
»Danke. Das wäre wunderbar.«
»Ist das dann alles?«
»Nur eines noch. Könnten Sie Mark fragen, was mit Mickeys Rechnungen geschehen soll? Ich fürchte, sie stapeln sich langsam, und ich möchte nicht, dass seine Schuldenlast noch schlimmer wird, als sie es ohnehin schon ist.«
»Hab’s mir notiert. Ich frage ihn. Ihm wird schon was einfallen, da bin ich mir sicher. Ich sage ihm, dass er Sie zurückrufen soll, wenn er kommt.«
»Nicht nötig, es sei denn, er hat eine Frage. Richten Sie ihm einfach das aus, was wir besprochen haben, dann kann er selbst entscheiden, was zu tun ist.«
Ich saß an meinem Schreibtisch und fragte mich, was ich als Nächstes anfangen sollte. Ein weiteres Mal holte ich die verschiedenen Gegenstände hervor, die ich bei Mickey hatte mitgehen lassen, und musterte sie nacheinander. Eine Telefonrechnung, der Umschlag mit den Delta-Airlines-Tickets, Rechnungen vom Honky-Tonk, Sparbücher und falsche Papiere. Emmett Vanover... Delbert Amburgey... Clyde Byler — alle mit erfundenen persönlichen Daten und einem Foto von Mickey, das an entsprechender Stelle eingeklebt war. Ich kehrte wieder zu dem Flugticket zurück, das auf den Namen Magruder ausgestellt war. Die
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