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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mein Auto ab und ging den halben Block zu Fuß zurück. Ich kam mir albern vor, aber es war mir trotzdem lieber, auf meine Intuition zu hören. Ich wusste, dass das Scharnier der Gartenpforte quietschen würde, also ging ich ihm aus dem Weg, indem ich am Holzzaun entlang durch den Garten der Nachbarn schlich. Vielleicht benahm ich mich dämlich, aber ich konnte nicht anders.
    Als ich die andere Seite von Henrys Garage erreicht hatte, hob ich den Kopf über den Zaun und spähte hinüber. Ich hatte das hintere Licht brennen lassen, aber jetzt lag meine kleine Veranda im Finstern. Auch bei Henry war das Licht aus. Nebel lag über dem Gras wie Rauch. Ich wartete, ohne mich zu bewegen, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Der Mond hing zwischen den Zweigen eines Baums. Lichtsprenkel flössen in einem unregelmäßigen Muster herab. Ich lauschte, bis die Grillen wieder zu zirpen begannen.
    Ich unterteilte Henrys Garten in Segmente und suchte sie eines nach dem anderen ab. Nichts zu meiner direkten Linken. Nichts an seiner Hintertreppe. Nichts neben dem Baum. Die Garage warf ein Dreieck aus Dunkelheit auf den Innenhof, so dass nicht alle Gartenmöbel sichtbar waren. Trotzdem hätte ich schwören können, eine Gestalt ausgemacht zu haben — Kopf und Schultern von jemandem, der in einem der hölzernen Gartenstühle saß. Es konnte Henry sein, aber ich glaubte es nicht. Ich duckte mich unter das obere Ende des Zauns, drehte mich um und schlich durch den Nachbargarten zurück bis zur Straße dahinter. Die Lederstiefel, die ich anhatte, waren nicht dafür gemacht, dass man auf Zehenspitzen durch feuchtes Gras huschte, und ich rutschte mehrmals aus, wobei ich stets hoffte, nicht hinzufallen.
    Als ich die Straße erreicht hatte, musste ich mir ein bisschen Hundekacke vom Absatz wischen, damit mich nicht bereits der Geruch zur Zielscheibe machte. Ich kramte in meiner Tasche herum, bis ich die Taschenlampe fand, deckte ihren schmalen Strahl mit der Hand ab und leuchtete über den Jaguar. Alle vier Türen waren abgesperrt. Ich erwartete schon fast, dass auf dem persönlichen Nummernschild MORD NACH MASS stand. Doch stattdessen las ich DIXIE. Na, das war ja interessant. Diesmal näherte ich mich dem Garten vom Anwesen der Nachbarn links von Henry aus, indem ich zuerst deren Einfahrt hinaufschlich und dann einen weiten Kreis um Henrys Garten an den hinteren Blumenbeeten entlang beschrieb. Von diesem Aussichtspunkt aus konnte ich die Silhouette ihres zerzausten Haares sehen. Sie musste sich nach einer Zigarette verzehren. Während ich sie musterte, gewann ihr Verlangen, zu rauchen, die Oberhand. Ich hörte ein Feuerzeug klicken. Sie hielt sich eine hohle Hand vors Gesicht, während sie sich die Zigarette anzündete, und atmete mit einem fast hörbaren Seufzer der Erleichterung ein. Jedenfalls hatte sie keine Waffe, es sei denn, sie konnte mit den Füßen eine bedienen.
    Inzwischen stand ich direkt hinter der Lehne des Gartenstuhls. »Na, na, Dixie. Das mit dem Feuer hättest du lieber gelassen. Jetzt können sämtliche Scharfschützen in der Umgebung auf dich anlegen.«
    Sie schnappte nach Luft und hätte fast abgehoben, während ihr Kopf herumflog. Sie packte die Armlehne des Stuhls, und die Handtasche rutschte ihr vom Schoß. Ich sah in der Finsternis die Zigarette davonfliegen. Die Glut beschrieb einen überaus gelungenen Bogen, bevor sie im nassen Gras erlosch. Dixie konnte von Glück sagen, dass sie sie nicht verschluckt hatte und daran erstickt war. »Verdammt! O verdammt! Du hast mich zu Tode erschreckt«, zischte sie.
    »Was zum Teufel hast du hier zu suchen?«
    Sie drückte sich eine Hand auf die Brust, als versuchte sie, ihr wild hämmerndes Herz zu beruhigen. Sie beugte sich aus der Taille heraus vor und hyperventilierte. Die Möglichkeit, dass sie einen Herzinfarkt erlitt, beeindruckte mich ausgesprochen wenig. Wenn ihr Herz aussetzte, starb sie eben. Ich würde keine Wiederbelebungsmaßnahmen an ihr vornehmen. Sie hatte etwas an, das wie ein Fliegeranzug aussah, ein einteiliges Stück mit einem Längsreißverschluss. Die überdimensionale, ausgebeulte Wirkung wurde noch dadurch verstärkt, dass sie die Ärmel bis zur Mitte ihres Arms hinaufgerollt hatte und damit zeigte, wie zierlich sie war. Sie bückte sich, um ihre Umhängetasche aufzuheben, die aus abgewetztem Leder bestand und die Form einer Briefträgertasche hatte.
    Sie schob sie sich unter den einen Arm. Dann legte sie sich eine Hand auf die Stirn

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