Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
vergisst, die Tür von innen wieder zu verriegeln. In windigen Nächten wie heute fliegen die Türen von selbst auf und zu. Sie kriegt es nicht mal mit.«
»Ich bin nicht überzeugt davon, dass es so passiert ist, und es jagt mir kalte Schauer den Rücken hinunter. Könnten Sie sich mal umsehen und sich vergewissern, dass nichts fehlt? Stellen Sie sich nur vor, wenn jemand hier gewesen ist.«
»Warum soll sich jemand die Mühe machen? Hier gibt es nichts zu stehlen.«
»Schon klar, aber die Sache schmeckt mir nicht. Würden Sie mir zuliebe einen kurzen Rundgang machen?«
»Na gut. Sie können auch gleich mitkommen. Es dauert nicht lang, und dann haben Sie’s selbst gesehen.« Sie beugte sich vor und nahm die Whiskeyflasche vom Couchtisch. »Da.«
Ich nahm die Flasche und wartete, während sie sich das Glas und die Pillenfläschchen schnappte, die daneben standen. »Ihr Arzt ist nicht ganz bei Trost. Ich habe schon hundertmal mit ihm diskutiert. Sie sind alte Freunde, also kommt sie nach mir daher und überredet ihn.«
Sie sah sich oberflächlich in der Küche um, während sie den Whiskey ihrer Mutter in den Abguss leerte. Sämtliche Pillen kippte sie in den Müll, wo sie wie ein Schälchen Jelly Beans auf den Eimerboden durchrasselten. Die leere Whiskeyflasche warf sie hinterher. »Ich kümmere mich später darum«, sagte sie mit einem Blick auf den überquellenden Mülleimer und den Stapel Geschirr in der Spüle. »Hier drinnen sieht alles okay aus. Es ist zwar ein Schweinestall, aber auch nicht schlimmer als sonst.«
Ich tappte hinter ihr her, während sie ins Badezimmer und in das zweite Schlafzimmer sah. Letzteres musste früher ihr Zimmer gewesen sein, das Zimmer, das sie auch mit Charisse hatte teilen müssen. Die zwei Einzelbetten standen noch da, doch der restliche Platz war mit Bergen von Kleidungsstücken, Kisten und verschiedenem Trödel angefüllt. Fast hätte ich ihr meinen Verdacht anvertraut, dass jemand in mein Zimmer eingedrungen war, doch ich verkniff es mir. Ich hatte keinen Beweis dafür und wollte nicht völlig paranoid klingen. Außerdem würde sie das nur dazu anregen, Fragen zu stellen, die ich nicht beantworten wollte.
Als wir ins Wohnzimmer zurückkehrten, sagte sie: »Ich habe das von Pudgie gehört. Es ist schrecklich.« »Das hat sich ja schnell herumgesprochen.« »Glauben Sie mir, inzwischen weiß es jeder.« »Wer hat es Ihnen erzählt?« »Todd Chilton hat angerufen. Er ist Hilfssheriff« »Ich kenne ihn. Warum hat er Sie angerufen?« »Nun ja, ihm ist eingefallen, dass ich mal mit Pudgie gegangen bin, und er fand, ich sollte Bescheid wissen. Nach dem zu schließen, was er gesagt hat, war es abstoßend. Zumindest habe ich es zwischen den Zeilen so verstanden. Er sagt, Sie seien diejenige gewesen, die darauf gekommen ist.«
»Früher oder später hätte es zwangsläufig jemand gemerkt«, sagte ich und musste an den Geruch denken. Ich ergänzte noch ein paar Einzelheiten, verschwieg aber alles Wesentliche. Detective Lassiter würde mit Sicherheit dafür sorgen, dass nicht alle Informationen an die Öffentlichkeit gelangten.
»Warum sind Sie hier vorbeigekommen?«
»Ich wollte Ihre Mutter etwas fragen. Ich weiß, es wirkt nebensächlich, aber ich war neugierig. Als ich das erste Mal mit ihr gesprochen habe, hat sie gesagt, sie wäre am selben Tag, als Charisse verschwunden ist, zur Polizei gegangen. Aber laut den Unterlagen der Polizei hat sie eine Woche gewartet. Ich hatte gehofft, sie könnte die Abweichung erklären.«
»Sie hat Ihnen nichts von dem Zettel erzählt?«
»Von Charisse? Nicht dass ich wüsste.«
»Dann hat sie wahrscheinlich vergessen, es zu erwähnen. Von dem ganzen Scheiß, den sie schluckt, ist ihr Hirn komplett ruiniert. Auf dem Zettel von Charisse stand, dass sie ihre Mutter besuchen wolle und in drei Tagen wieder zurück wäre. Wir dachten, sie würde wieder auftauchen, aber nach einer Woche hat Mom angefangen, sich Sorgen zu machen. Dann hat sie sich an die Polizei gewandt.«
»Haben Sie den Zettel selbst gesehen?«
»Sicher. Sie hat ihn aufs Bett gelegt.«
»Und es war ihre Handschrift?«
»Soweit ich es beurteilen konnte.«
»Hat Ihre Mutter den Zettel aufgehoben?«
»Das bezweifle ich. Warum sollte sie?«
»Könnten Sie sie bitte fragen?«
»Jetzt gleich?«
»Ich wäre Ihnen dankbar.«
Sie verließ das Wohnzimmer und ging wieder zu ihrer Mutter ins Schlafzimmer, von wo ich ihr eindringliches Fragen und Medoras undeutliche Antworten
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