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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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tauschen? Ich mag es nicht, mit dem Rücken zum Lokal zu sitzen.«
    Ich rutschte auf meiner Seite aus der Nische und tauschte die Plätze mit ihr, obwohl ich in Wirklichkeit nicht lieber als sie mit dem Rücken zum Raum saß. »Wie sind Sie damit im Gefängnis klargekommen?«
    »Dort habe ich ja gelernt, meine Kehrseite im Auge zu behalten. Ich vertraue nur dem, was ich sehen kann. Alles andere ist für meinen Geschmack viel zu beängstigend.« Sie nahm sich eine Speisekarte und überflog sie.
    »Hatten Sie denn Angst?«
    Sie hob ihre riesigen dunklen Augen und sah mich mit schwindendem Lächeln an. »Zuerst schon. Nach einiger Zeit war ich weniger verängstigt als vielmehr vorsichtig. Die Aufseherinnen waren dabei allerdings das geringste Problem. Ich habe etwa zwei Sekunden gebraucht, um rauszukriegen, wie ich mit denen am besten zurechtkomme.«
    »Und zwar wie?«
    »Durch Fügsamkeit. Ich war nett. Höflich. Ich habe getan, was man mir gesagt hat, und sämtliche Vorschriften eingehalten. Es war wirklich kein großer Aufwand und hat mir das Leben wesentlich erleichtert.«
    »Was war mit den anderen Gefangenen?«
    »Die meisten waren in Ordnung. Aber nicht alle. Manche Frauen waren fies, also durfte man ihnen gegenüber keine Schwäche zeigen. Wenn man an irgendeinem Punkt nachgab, sind sie über einen hergefallen wie die Fliegen. Ich habe Folgendes gelernt: Wenn mir irgendeine blöde Kuh ins Gesicht springt, mache ich genau das Gleiche mit ihr. Wenn sie nachlegt, mache ich das ebenfalls und steige immer höher ein, bis sie irgendwann begriffen hat, dass sie mich besser in Ruhe lässt. Das Problem dabei war nur, dass man ja nicht erwischt werden wollte, erst recht nicht bei irgendwas im Zusammenhang mit Gewalt – dafür hat man nämlich böse bluten müssen –, also musste man einen Weg finden, wie man sich behauptet, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.«
    »Wie haben Sie das geschafft?«
    Sie lächelte. »Ach, ich hatte so meine kleinen Tricks. Vor allem habe ich mich nie mit jemandem angelegt, der sich nicht zuerst mit mir angelegt hat. Mein Ziel war Ruhe und Frieden. Du gehst deinen Weg und ich meinen. Nur manchmal ist es eben nicht so gelaufen, und dann musste man zu anderen Mitteln greifen.« Sie starrte auf die Speisekarte. »Was ist denn das hier für Zeug?«
    »Das sind alles ungarische Gerichte, aber Sie brauchen sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Rosie hat bereits entschieden, was wir essen. Sie können mit ihr streiten, wenn Sie wollen, aber Sie werden den Kürzeren ziehen.«
    »Hey, genau wie im Knast. Was für eine schöne Erinnerung.«
    Rosie kam mit einem zweiten Glas von ihrem minderwertigen Wein an unseren Tisch. Ehe sie es vor Reba abstellen konnte, griff ich danach. »Danke. Den nehme ich. Und Sie, Reba? Was möchten Sie trinken?«
    »Ich möchte Eistee.«
    Rosie notierte es gewissenhaft, wie eine Journalistin. »Mit oder ohne süß?«
    »Lieber ohne.«
    »Ich bringe Zitrone dazu in kleine Windel, dann können Sie in Ihre Tee quetschen, ohne dass Kerne rausfallen.«
    »Danke.«
    »Ich hätte sowieso abgelehnt«, sagte Reba, als Rosie gegangen war. »Es macht mir aber nichts aus, Ihnen beim Weintrinken zuzusehen.«
    »Ich war mir nicht sicher. Und ich will kein schlechter Einfluss sein.«
    »Sie? Ausgeschlossen. Keine Sorge.« Sie legte die Speisekarte beiseite und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. »Sie haben noch mehr Fragen. Ich sehe es Ihnen an.«
    »Stimmt. Weswegen haben die fiesen Frauen denn gesessen?«
    »Mord, Totschlag. Viele auch wegen Drogenhandel. Die Lebenslänglichen waren die schlimmsten, denn was hatten die schon zu verlieren? Hätte man ihnen etwa mit Verhaftung drohen sollen? Großes Drama. Wirklich schlimm.«
    »Ich könnte es nicht ertragen, all diese Leute um mich zu haben. Hat Sie das nicht tierisch genervt?«
    »Es war schrecklich, ja. Frauen, die in enger Gemeinschaft miteinander leben, kriegen irgendwann alle den gleichen Monatszyklus. Vermutlich hat es was mit primitiven Überlebensvorteilen zu tun – wenn alle Frauen zur selben Zeit fruchtbar sind. Von PMS ganz zu schweigen. Wenn dann noch gleichzeitig Vollmond war, ist der Laden zum Irrenhaus geworden. Stimmungsumschwünge, Streitereien, Heulkrämpfe, Selbstmordversuche.«
    »Glauben Sie, dass es Sie korrumpiert hat, unter abgebrühten Kriminellen zu leben?«
    »Mich korrumpiert? Inwiefern?«
    »Haben Sie denn keine neuen und besseren Methoden gelernt, wie man die Gesetze brechen kann?«
    Sie lachte.

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