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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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stellte mein Weinglas auf den Tisch. »Was war denn gestern Abend los? Ich habe gesehen, dass Matties Wagen weg war und kein Licht brannte. Seid ihr zusammen irgendwo gewesen?«
    »Sie ist nach San Francisco gefahren, und ich habe einen Spaziergang gemacht.«
    »Wann ist sie gefahren?«
    »Ich habe nicht so darauf geachtet. Sechzehn Uhr zweiunddreißig«, erwiderte er.
    »Ziemlich spät für sechs Stunden Fahrt. Wenn sie noch zum Abendessen irgendwo angehalten hat, ist sie wahrscheinlich erst gegen Mitternacht zu Hause angekommen.«
    Henry schwieg.
    »Zum Mittagessen war sie aber noch da, oder? Bist du mit den beiden ins Kunstmuseum gegangen?«
    »Es ist nicht nötig, darüber zu diskutieren. Eigentlich gibt es nichts zu sagen. Ich würde das Thema lieber fallen lassen.«
    »Sicher. Kein Problem«, sagte ich. »Gehst du zum Abendessen zu Rosie? Ich habe es eigentlich vor.«
    »Damit ich Gefahr laufe, Lewis zu begegnen? Ich glaube nicht.«
    »Wir könnten woanders hingehen. Bei Emile’s-at-the-Beach ist es immer nett.«
    Er sah mich mit dermaßen waidwundem Blick an, dass es kaum auszuhalten war. »Sie hat Schluss gemacht.«
    »Ehrlich?«
    »Sie hat gesagt, ich sei unmöglich. Sie hat gesagt, sie kann mein schlechtes Benehmen nicht ertragen.«
    »Was war der Auslöser dafür?«
    »Nichts. Es kam aus heiterem Himmel.«
    »Vielleicht hatte sie einen schweren Tag hinter sich.«
    »Keinen so schweren wie ich.« Ich saß da und starrte auf den Boden, während mich eine Woge der Enttäuschung überkam. Ich hatte mir so schöne Hoffnungen für die beiden gemacht. »Weißt du, was mir schwer fällt? Ich würde so gern daran glauben, dass uns erfreuliche Dinge passieren können. Vielleicht nicht jeden Tag, aber ab und zu.«
    »Ich auch«, sagte er. Dann stand er auf und verließ den Raum.
    Ich wartete eine Weile, und als klar war, dass er nicht zurückkommen würde, goss ich meinen Wein in die Spüle, wusch das Glas ab und ging. Am liebsten hätte ich William den Hals umgedreht und, wenn ich schon dabei war, Lewis gleich mit dazu. Mit meinem eigenen Schmerz hätte ich besser umgehen können als mit dem von Henry. Meine düstere Stimmung war wahrscheinlich zumindest teilweise auf Schlafmangel zurückzuführen, auch wenn ich es nicht so empfand. Ich empfand die Trostlosigkeit als tief und dauerhaft, eine Düsternis, die wie Schlick aus den tiefsten Tiefen aufgerührt wird. Henry war ein großartiger Mensch, und Mattie war mir ideal für ihn erschienen. Wahrscheinlich hatte er sich unmöglich benommen, aber sie auf ihre Art im Grunde genauso. Was hätte es sie denn gekostet, ein bisschen sensibler mit der Situation umzugehen? Es sei denn, sie hatte von Anfang an nicht besonders viel investiert, dachte ich. Und dann war sie eben sofort geflüchtet, als es schwierig wurde. Da ich selbst Fluchttendenzen hatte, konnte ich es ihr nachfühlen. Das Leben war schon schwer genug, ohne dass man die Gereiztheit anderer über sich ergehen lassen musste.
    Ich betrat meine Wohnung und sah nach dem Anrufbeantworter. Eigentlich hatte ich auf eine Nachricht von Cheney gehofft, doch das Lämpchen blinkte nicht, also konnte ich mir das abschminken. Trotz meiner vorherigen Selbstsicherheit war ich nicht besonders scharf darauf, herumzusitzen und auf seinen Anruf zu warten. Es war Zeit zum Abendessen, aber ich hatte genauso wenig Lust wie Henry, zu Rosie zu gehen. William würde herüberstolzieren, sich selbst den Puls messen und nach den neuesten Entwicklungen bei den Verliebten fragen. Falls er noch nichts von der Trennung wusste, wollte ich nicht diejenige sein, die es ihm erzählte. Und falls er es von Lewis erfahren hatte, wollte ich mir nicht anhören, wie er seine eigene Beteiligung daran herunterspielte. Eine Joggingrunde hätte mich vermutlich aufgeheitert, doch angesichts meiner derzeitigen Stimmung hätte ich schon den ganzen Weg nach Cottonwood laufen müssen, hin und zurück gute zwanzig Meilen.
    Das war einer dieser Momente, in denen man eine Freundin braucht. Wenn man schlecht drauf ist, ruft man nämlich seine beste Freundin an – habe ich zumindest gehört. Man plaudert. Man lacht. Man erzählt ihr seine traurige Leidensgeschichte, sie bekundet ihr Mitleid, und dann zieht man los und macht einen Einkaufsbummel wie ganz normale Leute. Aber ich hatte keine Freundin, ein Mangel, der mir nicht aufgefallen war, ehe Cheney aufgetaucht war. Jetzt musste ich also nicht nur damit fertig werden, dass ich ihn nicht hatte, ich hatte auch sie

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