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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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ihrer Brille und über Gebühr lange, wie das alte Menschen manchmal tun, weil sie sich den Gesetzen der Höflichkeit nicht mehr verpflichtet fühlen. Karla erträgt es mit Gleichmut.
    »Ich werd dann mal wieder«, schließt die Quittländer ihre Betrachtung zufrieden ab und zieht die Brille von der Nase, packt sie ein. »Arbeiten Sie jetzt hier?« fragt sie unvermittelt, aber man merkt, daß sie das die ganze Zeit fragen wollte.
    Karla zuckt die Achseln. »Mal sehen.«
    »Na, dann geben Sie mir mal eine Rätselwoche. Die für nächste Woche, die andere hab ich nämlich schon, die mit dem Patrick Lindner drauf.« Karla sucht hilflos die Zeitungsstapel vor sich ab. Kwiatkowski tritt von hinten heran, zieht das gewünschte Heft hervor und streicht es sorgfältig glatt. Rose Quittländer beachtet ihn gar nicht. Karla nimmt ihm das Heft ab, rollt es zusammen und streift mit großer Selbstverständlichkeit einen roten Gummiring darüber, so als hätte sie das schon tausendmal gemacht.
    »Danke, was macht das?«
    Als ob du das nicht wüßtest, alte Saatkrähe, denkt Kwiatkowski und souffliert »Zweiachtzig«.
    »Zweiachtzig«, wiederholt Karla. Rose Quittländer zieht das Portemonnaie aus der Tasche, knipst es auf und hält es Karla hin. »Schauen Sie selber mal, ich kann nicht mehr so gut gucken.« Jetzt glaubt Kwiatkowski wirklich an ein Wunder, so was hat die Rose früher nur beim Jakob gemacht. Alte Schlange, denkt hingegen Karla, die das für eine Probe ihrer Ehrlichkeit hält.
    »Ich bin mal kurz hinten«, sagt Kwiatkowski, während Karla betont laut das Geld abzählt und zur Begutachtung jede einzelne Münze vor Rose Quittländer hinknipst. »Hey, Moment«, ruft sie Kwiatkowski noch hinterher. »Sie können mich doch hier nicht alleine lassen, ich kann das doch gar nicht.«
    »So?« Kwiatkowski zieht die Augenbrauen hoch. »Dafür machen Sie das aber ziemlich gut. Naturtalent nehme ich an.«
    Schicksal, denkt Karla und wartet, bis die Quittländer alles verstaut und verschlossen hat und nach einem weiteren »Ich werd dann mal wieder« abschiebt.
    »Danke, auf Wiedersehen.«
    »Jaja, auch so.«
    Lenchen sitzt in der Küche und schreibt Einkaufslisten für die Metro. Zigarettenqualm kräuselt sich gemächlich über den Zetteln.
    »Die Neue ist da«, sagt Kwiatkowski, als er eintritt.
    Lenchen schaut nicht auf. »Sie sollten sich mal mit ihr unterhalten, die hat das schon mal gemacht, sieht jedenfalls so aus.«
    »Keine Zeit.«
    »Lenchen, das ist Ihr Geschäft, was soll ich der jungen Frau denn sagen?«
    »Daß sie gefälligst pünktlich erscheinen soll, wir machen um acht auf, jetzt ist Viertel nach elf.«
    »Wissen Sie, wer gerade hier war?«
    Lenchen schweigt eisern, ihre Lippen formen tonlos Stichworte. »Söhnlein, drei Kisten.« Dann schreibt sie und zieht an ihrer Zigarette.
    »Die Rose Quittländer hat die Rästelwoche bei der jungen Frau gekauft.« Lenchen hält inne und ist zaghaft verblüfft. »Die Quittländer?«
    Kwiatkowski nickt.
    »Ist eben eine neugierige alte Schachtel.« Daß Lenchen so abweisend ist, hat nichts mit dem überfüllten Deckel vom Dachdecker zu tun, sondern mit dem Brief vom Krahwinkel, den sie heute morgen bekommen hat. Sie muß über das Angebot nachdenken, aber davon weiß Kwiatkowski nichts.
    »Vielleicht werden andere ja auch neugierig. Sie ist irgendwie ungewöhnlich«, sagt der Künstler.
    Lenchen nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, drückt sie aus. »Na gut, dann komm ich mal mit. Wissen Sie sonst noch was über sie?«
    »Nein, eigentlich nicht, aber sie kennt sich aus, hat ein Händchen für die Leute.«
    Karla hat ihren zweiten Kunden. Einen, der kein Wort sagt, nur starrt und sehr mißgelaunt aussieht, vielleicht, weil ihm ein Pflaster über der linken Braue klebt. Auf ihr »Bitte?« hat er noch nicht geantwortet, der Aprilwind spielt respektlos mit seinen gelbweißen, wattigen Haaren, legt kahle Stellen auf seinem Altmännerschädel frei. Karla wiederholt ihr »Bitte«, und als das nichts hilft, fragt sie einen Ton strammer: »Kann ich Ihnen helfen? Wollen Sie etwas kaufen? Eine Zeitung vielleicht?« Spiegel oder Frankfurter Allgemeine würde sie tippen und rückt einen Stapel zurecht. Der alte Mann wird ebenfalls ungeduldig, sagt aber nichts, guckt nur starr.
    »Ach, grüß dich, Hans-Karl«, sagt Lena von hinten. »Wie immer?« Sie wartet nicht auf die Antwort, greift zwei Camel ohne Filter und legt sie dem Antiquar hin. »Scheint, die Sonne kommt durch. Wird ja

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