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Kiosk

Kiosk

Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Das wird ein Riesending, so ’ne Baustelle hat der Kattenbug noch nich gesehen. Nu schieb schon den Korn rüber.«
    Karla steht auf und holt eine Flasche aus dem Kühlschrank. »Nee, warm«, mischt sich Kalle ein. »Wir haben’s nämlich mit dem Magen.«
    »Ich hab’s mit dem Magen, du Idiot«, korrigiert ihn der Dachdecker ärgerlich. Als die Flasche vor ihm steht, ist er schon wieder versöhnt. Einladend fragt er Karla: »Auch ein Schluck?«
    »Keine harten Sachen aus der Flasche am Laden«, warnt Kwiatkowski. »Du kennst die Regeln.«
    »Im Becher, mit Milch«, lenkt der Dachdecker ein.
    »Mach die Biege, bevor Lena zurück ist.« »Ey, Kwiatkowski, denk an die Baustelle, wird ein Riesengeschäft für euch, kannst schon mal paar Kästen mehr ordern. Und Wodka, sind sicher Pollacken dabei. So, Fräulein, auch ein Schluck?« Er hält ihr die offene Flasche hin. Der Korn riecht scharf wie Rasierwasser.
    »Danke«, sagt Karla angewidert, »ich trinke nicht.«
    Kwiatkowski kann ein Schnauben kaum unterdrücken. Er verschwindet nach hinten und stapelt Bierkästen, räumt eine Gasse zum Lager frei. Der Getränkelieferant hat seinen Laster vorgefahren, öffnet die Heckklappe, springt auf die Ladefläche und legt den Steg aus. Rumpelnd fährt er die Sackkarre darüber, nimmt mit seinem Laster und dem Lärm das ganze Straßenstück für sich ein. Buddy, Kalle und der Dachdecker entschließen sich, ihre Feier in den Park bei der Kirche zu verlegen, weil die Sonne rauskommt und es hier ungemütlich wird.
    Kwiatkowski öffnet die Tür, schiebt den Kaffeetisch beiseite, die nächste halbe Stunde ist angefüllt vom Klappern der Bierkästen, dem hellen Klirren leerer und dem dumpfen Klirren voller Flaschen.
    »Noch acht grüne Wasser«, ordert Kwiatkowski. »Und zwölf Reissdorf extra, ab morgen wird hier gebaut.«
    »Geht klar, Chef.«
    Karla bedient Kunden, sucht nach Lux und Ernte und Luckies, entziffert Preise auf den blaubeigen Banderolen. Sie lernt die verschiedenen Kunden unterscheiden, solche, die das Geld achtlos auf die Zeitungsstapel werfen, daß es darüber rollt und klimpernd zu Boden geht. Dann muß sie sich danach bücken wie eine Straßenkünstlerin, die den mageren Lohn für eine mäßige Darbietung aufliest. Andere bauen kleine Türmchen mit den Münzen und haben genau abgezählt, warten aber – schon halb auf dem Sprung – auf die Gegenprobe. Das steht ihnen schließlich zu.
    Die nächsten verharren stumm, bis die Zigaretten vor ihnen liegen, schauen sie wie erstaunt an und zücken das Portemonnaie, als hätten sie nicht damit gerechnet, zahlen zu müssen. Meistens kennen die sich in ihrem Portemonnaie nicht aus, suchen erst im Münzfach, staunen noch mal, daß sie fünfzwanzig nicht zusammenbekommen, fingern nach Scheinen, die wie gebügelt aussehen, und trennen sich seufzend davon.
    »Können Sie den denn kleinmachen?« fragt einer.
    »Ich hab eine große Schere«, scherzt Karla, ohne den Mund zu verziehen, als hätte sie nie etwas anderes gemacht als Zigaretten verkaufen oder große Tüten Gemischtes zu drei Mark.
    »Haben Sie saure Zungen? Dann davon fünf und der Rest durcheinander, mit Lakritzschuhen.«
    Seltsam, aber der Griff in die Bonbongläser macht ihr Spaß. Ach was, seltsam, wer hat als Kind nicht davon geträumt, einmal in einem Kiosk auf der richtigen Seite der Theke zu stehen oder eine Nacht lang darin eingesperrt zu sein? Hinter ihr erledigt Kwiatkowski den Papierkram mit dem Lieferanten. Mit halbem Ohr hört sie, was sie reden, über sie reden.
    »Neu hier?« fragt der Lieferant Kwiatkowski.
    »Seit heute.«
    »Steht gut im Schuh, prima Fahrgestell.« Schweigen. Darüber hat sich Kwiatkowski noch überhaupt keine Gedanken gemacht.
    »Also dann, bis später.«
    »Bis später.«
    »Ich weiß jetzt ihren richtigen Namen.« Nikita zieht sich am Tresen hoch.
    »Was?« fragt Karla unwirsch und ein bißchen erschrocken.
    »Filou.« Karla guckt nur.
    »Ihr Hund. Filou heißt die.« Das sagt die alte Quittländer immer über ihren toten Vater – »So ’n Filou, ein echter Filou«, und irgendwie klingt das hübsch.
    »Von mir aus.« Karla holt den Ranzen unter dem Tresen hervor und reicht ihn über die Theke, der Welpe ist dem Bierlieferanten durch die Beine und in den Kiosk gewitscht, er schüttelt sich und steckt seinen Kopf in die Frolicbüchse.
    »Kann ich morgen wieder mit ihm gehen?« fragt Nikita und wuchtet sich den Ranzen auf den Rücken. Karla nickt gleichgültig. »Dann bis morgen, da

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