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Kiosk

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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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auch Zeit. Haben Sie schon den Knöterich im Hof gesehen? Schlägt aus wie jeck.«
    Der Antiquar packt die Zigaretten ein. Sein Blick gilt Karla. Die sagt »Auf Wiedersehen.« Der Antiquar wendet langsam den Kopf ab. »Auf Wiedersehen«, preßt er hervor.
    Das Wort macht ein Geräusch. Es zerteilt die Zeit in vor Jakobs Tod und nach Jakobs Tod. Lenchen und Kwiatkowski tauschen verwunderte Blicke. Lenchen schüttelt kurz den Kopf, dann greift sie sich die rosa Karteikarte – den Deckel –, der unter dem Kasseneinsatz liegt, und schreibt die Zigaretten auf.
    »Der wohnt hier im Haus und kommt jeden Morgen so um die Zeit«, erklärt sie. »Dem geben Sie die zwei Camel und schreiben an. Er zahlt am Ersten.« Karla nickt. »Ansonsten kein Kredit für irgend jemand, wenn Sie mich vorher nicht gefragt haben. Sie kennen die Kundschaft noch nicht, man kann nicht jedem trauen, sind ein paar Eierdiebe dabei, keine schweren Jungs, aber na ja. Man darf sie nicht in Versuchung führen.«
    »Ich kann’s mir denken. Sie meinen solche, die einen erst ’ne Flasche Chivas holen lassen, und wenn die dann vor ihnen auf der Theke steht, schicken sie einen noch mal nach hinten für eine Flasche Wasser. Kaum ist man damit zurück, sind Whisky und Kunde längst weg.« Lenchen guckt verblüfft.
    »Genau. Wie heißen Sie?«
    »Johanna.« Sie weiß nicht, wie sie auf diesen Namen kommt. »Hanna, wenn Sie mögen.«
    »Nein«, beeilt sich Kwiatkowski zu sagen. »Johanna ist schön und paßt zu Ihnen.«

5
    J ohanna also. Okay, ich bin die Lena, das ist Kwiatkowski. Haben Sie vorher schon mal in einem Kiosk zu tun gehabt?«
    »Ja.« Lena schaut erwartungsvoll. »Während meines Studiums habe ich mal in einem gearbeitet. In Frankfurt.« Frankfurt? Sie hat nie da gewohnt, nur eine Tante von ihr. »Dann wissen Sie ja Bescheid.«
    »Ja, es ist mehr Arbeit, als man meint.«
    »Wenn man es richtig macht, ja«, sagt Lenchen nüchtern.
    Karla bekommt den Job. Auf Probe, einen Monat. Für zwölf Mark die Stunde, schwarz, fünfmal die Woche, abwechselnd morgens und abends. Macht bei je acht Stunden tausendneunhundertzwanzig Mark im Monat, plus freies Essen, wenn Lenchen kocht.
    Davon kann Karla nicht leben, aber darüber macht sie sich jetzt keine Gedanken. Sie nimmt sich eine Erdbeere aus der Plastikdose, steckt sie in den Mund, füllt den Rest der Beeren ins Glas und wischt es sauber. Diese Eigenständigkeit gefällt Lena, vielleicht räumt die ja auch regelmäßig die Kühlschränke nach und putzt den Staub von den Weinflaschen, anders als Kwiatkwoski, der das alles als unterhaltsamen Zeitvertreib zu sehen scheint.
    »Den Hund können Sie mitbringen, solange er nichts dreckig macht.« Lenchen krault den Welpen am Bauch, der rekelt sich. »Hübscher Kerl. Ach nee, ist ja eine Sie. Um so besser, dann gibt es keinen Zank mit den Rüden von der Kundschaft. Da unten steht übrigens eine Dose mit Frolic, die Hunde kriegen jedesmal ein Leckerchen, und Kinder einen von den kleinen Kirschlutschern. Und noch was, jeder Kunde wird begrüßt, immer Bitte sagen, Danke und Auf Wiedersehen, egal, wer vor einem steht. Sie geben den Ton vor. Einen höflichen Ton. Streit gibt’s bei mir nicht.«
    »Ich weiß noch gar nicht, ob ich den Hund behalte. Er gehört mir eigentlich nicht«, antwortet Karla und ist wieder aus dem Zusammenhang geraten, wie Kwiatkowski feststellt. Seltsame Person, manchmal taucht sie einfach weg, ganz tief weg. Lenchen tut, als bemerkt sie nichts.
    »Ich muß dann in die Metro. Kwiatkowski zeigt Ihnen schon mal das Wichtigste. Die nächste Woche arbeite ich Sie ein, dann schaun wir weiter. Ich muß mir ja ein Bild machen, Sie verstehen schon. In so einem kleinen Laden muß man sich kennen.«
    Karla nickt wieder.
    »Fürs Einarbeiten kann ich aber nichts zahlen, so dick habe ich das im Moment nicht.«
    »Ist okay, ich hab noch ein bißchen was gespart. Es wird schon hinhauen, bestimmt. Muß ja, ich mach das schon.« Karla hält atemlos inne.
    Lenchen schaut sie mit erwachendem Mißtrauen an. Warum erzählt die so was, ist doch eine Studierte und klingt wie eine Ertrinkende. Sie greift sich die Autoschlüssel für den Transporter vom Brett. »Bis später, dann reden wir weiter. Hallo, Nikita. So früh Schule aus?«
    »Montags haben wir bis zwölf«, antwortet das Mädchen und ruckt ihren schweren Ranzen über der Schulter zurecht. Lena ist schon durch die Tür. Der Welpe schießt hinter ihr her, entdeckt Nikita, trifft eine Entscheidung und

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