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Kiosk

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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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sagt »Also dann« und nimmt Karla den Hund ab. Durch einen rotgestrichenen Flur, in dem ein Gewirr aus Skianoraks, Mänteln, Wolljacken und der Geruch einer Frau hängen, gehen Karla und der Raspelkopf zu seinem Zimmer.
    Sie hören Rammstein, und er zieht ihr den Mantel aus, den Pullover streift sie sich selber über den Kopf, sie hat es eilig. Er kniet hinter ihr, legt die Hände um ihre nackten Brüste, drückt ein paarmal zu, er hat es auch eilig und gehört zu den Gierigen. Das ist das Vorspiel. Dann liegen sie ineinander verschlungen auf einem Futon, mit nassen Gesichtern und schnappen nach Küssen und Luft. Ihr Atem ist herb vom vielen Bier, morgen wird er süßlich sein und schal. Soll sie bis zum Morgen dableiben? Ob sie sich zur Abwechslung in dieses brutal sorglose Jungengesicht verlieben könnte? denkt Karla kurz, als er über ihr liegt, da flammt das Licht auf.
    »Annette ist unten«, schreit der Rastalockige mit falscher Lässigkeit ins Zimmer.
    »Scheiße.« Der andere rollt sich vom Futon, als suche er auf freiem Feld Deckung vor feindlichem Beschuß. Karla liegt nackt da und schämt sich für ihn.
    »Hast Glück, daß die Quittländer die Tür hinter uns abgesperrt hat. Annette kommt nicht rein.«
    »Wo ist der Schlüssel? Ich schmeiß ihn runter.«
    »Quatsch, bring ihn ihr runter, dann merkt sie nix, hab keine Lust auf Beziehungspunk.« Er betrachtet mit distanziertem Wohlgefallen Karlas Brüste, sie angelt nach ihrem Mantel, der andere ist schon in den Hosen und aus der Tür. Der Rastalockige sammelt Karlas Kleider auf und kickt die seines Freundes mit dem Fuß unter einer Stehlampe zu einem Haufen zusammen. »Komm mit in die Küche.«
    Karla geht ihm nach, die Hände in den Manteltaschen, in der Rechten knetet sie ein altes Tempo. Der Rastalockige schaut ihr beim Anziehen zu, es geht schnell. Die Wohnungstür geht, Schritte auf dem Flur, eine muntere Rothaarige schaut kurz hinein und sagt »Hi«. Ihr Freund zieht sie zurück in den Flur. »Da störste.« Sie kichert übertrieben anzüglich. Dann tönt wieder Rammstein, Karla zündet sich eine Zigarette an, obwohl sie gar nicht raucht. Ihre Hände sind so nackt.
    »Tut mir echt leid, willste noch ’n Bier?«
    »Braucht dir nicht leid tun. Ich geh dann.« Karla zieht die Reißverschlüsse ihrer Stiefel hoch und merkt, wie betrunken sie ist. Sie kann nicht mal wütend sein. Das Pochen zwischen ihren Beinen läßt nach. »Bleib doch noch.«
    »Wozu?«
    »Ich find dich auch nett. War doch ein geiler Abend.«
    Karla ist schlecht. »Ich finde mich überhaupt nicht nett, okay? Ist unten jetzt offen?« Sie reißt die Küchentür auf und die Schultern zurück. Nur noch einen starken Abgang hinlegen.
    Liebe ist kein Geschenk, nach dem dreißigsten sollte man damit nicht mehr rechnen. Das Leben ist kein Kindergeburtstag, sondern Krieg, man darf sein Gesicht nicht verlieren. Mit Sinnsprüchen knüppelt sie sich vorwärts. Endlich ist sie durch den roten Flur und an der Wohnungstür. Der Rastalockige ist hinter ihr. Er hat den Hund auf dem Arm. »Nimm den ruhig mit, du magst ihn doch? Annette will ihn sowieso nicht, war auch so ’ne Scheißidee von Jochen. Der denkt nie nach, weißte. Alles Party, Party, Party.« Jochen heißt er also, ist kein schöner Name. Karla nimmt den Hund, weil ihr nichts Besseres einfällt, dabei macht man im Krieg keine Gefangenen, nicht in so einem.
    Sie erschrickt, als sie die schwindelnde Treppe hinabschaut. Und das mit Hund auf dem Arm. Krieg ist Krieg, sie faßt nicht mal nach dem Geländer, sondern geht beachtlich gleichmäßig die Stufen hinab. So sieht Gleichmut aus, denkt sie, und hält den Rhythmus fünf Stockwerke durch, obwohl der Rastalockige sie gar nicht mehr sehen kann, nur noch die Quittländer durch den Türspion.
    Karla läßt die ausgeleierte Haustür krachend hinter sich ins Schloß fallen. Sie überlegt, ob sie weinen soll, womit die Frage beantwortet ist. Eigentlich muß sie jetzt nach links, wo die Apartments neben dem Drogeriemarkt liegen. Was soll sie da? Der Walkürenritt des Antiquars läßt sie aufhorchen. Die Musik kommt von der anderen Straßenseite. Da leuchtet ein paar Meter entfernt noch das Rechteck einer offenen Tür. Der Kiosk. Und Wagner. Ein Mann steht mit dem Rücken zu ihr und ruft einem kleinen Mädchen was nach, das eine klirrende Tüte schleppt.
    Karla kann mit Kindern noch weniger anfangen als mit Hunden, aber was der Mann da ruft, ist scheinheiliger Dreck. Die Kleine schaut sich nicht

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