Kiosk
komm ich aber erst um eins. Früher geht nicht. Sind Sie dann da?«
»Ja, ja denk schon.«
»Tschüs.«
»Auf Wiedersehen.«
»Was haben Sie gegen das Mädchen?« fragt Kwiatkowski verärgert. »Gestern nacht machen Sie mir Vorhaltungen, weil ich ihr was verkaufe ...«
» Was verkaufe? Bier und Schnaps haben Sie ihr gegeben.«
»Für ihre Mutter.«
»Na, toll.«
»Sie wissen überhaupt nicht, worum es geht.«
»Doch, um eine Säuferin und ein vernachlässigtes Kind. Bier und Schnaps sind da natürlich genau die richtigen Erziehungsmittel.« Kwiatkowski setzt sich auf die Bierkästen und grinst. »Sie halten es wohl mehr mit unerbittlicher Unfreundlichkeit.«
»Ich bin nicht unfreundlich«, sagt Karla ärgerlich, »im Gegenteil.«
»Weil Sie den Pennern vorhin die Flasche Schnaps gegeben haben? Ziemlich leichtsinnig, ich würd’s zumindest aufschreiben.«
Karla greift sich die rosa Karteikarte, findet das Stichwort Dachdecker und fügt einer langen Reihe von Zahlen eine weitere hinzu.
»Eine Baustelle ist immer ein Geschäft für einen Kiosk, das Geld kommt schon wieder rein«, sagt sie gelassen. »Heute morgen standen die drei außerdem im Drogeriemarkt, da müssen wir was gegen tun.«
Hat sie Kiosk als Unifach gehabt? Kwiatkowski ärgert sich zunehmend. »Sie kennen die Baustellen vom Dachdecker nicht. Und außerdem ist das mit dem Hotel Unsinn. Dafür müßte der Krahwinkel mindestens vier von seinen Häusern abreißen.«
»Gehören ihm so viele?« In ihrer Stimme klingt verhalten Neugier auf.
»Kann schon sein.« Kwiatkowski zuckt mit den Achseln.
»Warum also kein Hotel?«
»Zwischen seinen Häusern und dem Grundstück steht der Kiosk.«
»Und der gehört ihm nicht?«
Kwiatkowski kneift die Augen zusammen. Die ist nicht so unschuldig, wie sie aussieht, wirklich nicht. »Der Kiosk gehört Lena«, sagt er. »Das ganze Haus hat dem Jakob gehört, war seine Altersversicherung.«
»Altersversicherung? Ich für meinen Teil möchte hier nicht mal tot überm Zaun hängen. Vielleicht hätte Lena gerne woanders ihre Altersversicherung.«
»Wie meinen Sie das?«
Karla macht eine Kopfbewegung zum Kaffeetisch, da liegt ein nachlässig aufgerissener Briefumschlag, Absender Krahwinkel Gmbh.
»Haben Sie den etwa gelesen?« Kwiatkowski ist ehrlich überrascht.
»Ich kann mir auch so denken, was drin steht, Sie nicht? Ein Hotel wäre vielleicht nicht mal das Schlechteste, mit der Schnellstraße direkt um die Ecke.«
»Wenn der Kiosk verschwindet, wären Sie Ihren Job los«, sagt er trocken. Der Hund legt sich vor Kwiatkowskis Füße und schläft ein.
»Wäre nicht das erstemal, und so was wie hier finde ich ja wohl überall, oder? Ich kann auch kellnern.« Gestern klang das anders.
»Lena würde niemals Jakobs Kiosk aufgeben. Nie.« Verflucht, in was ist er da nur hineingeraten, völlig falsche Rolle. Er will nicht, daß ihn das was angeht. Und warum, zum Teufel, sieht dieser verlogene Engel plötzlich so verängstigt aus? Nein, nicht verängstigt, trotzig vielleicht, ein bißchen wie Nikita, wenn sie unter ihrer Haarsträhne lauert. Karla lauert nach draußen.
Vor dem Kiosk haben sich zwei Studenten aufgebaut, der eine wiegt sich in einem imaginären Rhythmus, leicht verzögert, als müsse er die Musik erst verarbeiten, die außer ihm niemand hört. Neben ihm steht ein Geck mit raspelkurzen Haaren und alberner gelber Sonnenbrille, grinst ungeschickt und nestelt in seinen Jackentaschen.
»Hier arbeitest du also? Hab dich noch nie hier gesehen.«
Karla zieht die Schultern ein wenig nach hinten, ohne sich wirklich aufzurichten. »Ich helf hier nur manchmal aus. Neben dem Studium. Geschichte. Schreib gerade meine Doktorarbeit.«
Kwiatkowski hat aufgehört, ihre Schwindeleien zu zählen. Warum macht sie so was, warum macht sie sich so lächerlich, oder glaubt sie das, was sie sagt? Für handfeste Lebenslügen ist sie noch zu jung, für Illusionen zu alt und für Träumereien zu abgeklärt.
Der Geck mit der Brille lehnt sich vor und sagt leise: »War echt heftig gestern, aber irgendwie geil, oder?«
»Kaufste mir eine Tüte Gemischtes?« Die Rothaarige ist aufgetaucht und quengelt mit Kleinmädchenstimme. Wie ertappt zuckt der Raspelhaarige zurück, versenkt die Hände in seinen Jackentaschen. »Mit ganz viel Erdbeeren«, bestellt die Rothaarige bei Karla und gähnt. »Ey, da ist ja unser Hund.«
Karla zählt Erdbeeren ab, das Stück zu zehn Pfennig. »Willste den echt behalten? Ich finde, der
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