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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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entrüstet.
    »Wir haben hier eine Mordermittlung laufen und wollen dabei nicht gestört werden.« Schäumend wandte er sich Fritzi zu. »Ist der dein Gast? Wohnt der bei dir?«
    »Ja«, bekannte sie leise. »Er ist freier Reporter. Er handelt ohne Auftrag. Seine Geschichten verkauft er erst, wenn sie fertig sind.«
    »Genau«, sagte der Mann und nestelte an seiner Brille. »Erst der Text, dann die Entscheidung, wer sie bekommt. Ich verkaufe nicht an jeden.«
    Seine großsprecherische Art nervte den Bürgermeister. »Sie sind die Karikatur eines aufdringlichen Journalisten«, sagte er. Seine Zähne knirschten. »Wir haben wahrhaftig Wichtigeres zu tun, als Sie zu bedienen. Ziehen Sie sich unauffällig zurück, und kommen Sie meinetwegen wieder hervor, wenn unsere traurige Sache hier zu Ende ist. Wenn der Mordfall gelöst ist.«
    Damit war für ihn die Angelegenheit beendet. Die schlechte Angewohnheit, bei Anspannung die Lippen zusammenzupressen, verlieh ihm einen solch abweisenden Gesichtsausdruck, dass der Journalist sich freiwillig verabschiedete.
    »Wir sehen uns später«, raunte er Fritzi zu, bevor er das Stadtmüller’sche Grundstück verließ.
    Er bewegte sich fluchtartig durch einen Irrgarten aus Vorgartenzwergen und Plastikfiguren hindurch auf die Straße zu. Die auffälligsten Stücke aus Frau Stadtmüllers Sammlung waren zwei fleischfarbene Schweine mit Glücksklee im Maul, vier kleine Kunststoffentenküken in eingefrorenem Watschelgang hinter ihrer Kunststoffmutterente und ein viel zu groß geratenes Mainzelmännchen, das einen mit eiergelben Wachsblumennarzissen gefüllten Korb an seine Brust drückte.
    Auf der Dorfstraße blieb der Journalist kurz stehen und warf einen fragenden Blick zurück auf seine Vermieterin und den Bürgermeister. Ein Blick, der alles bedeuten konnte.
    »Pffffhhhh«, entfuhr es Campari. Beim Hinausgehen lehnte er sich gegen den Stamm eines Birnbaums, an dem schon kleine grüne Früchte reiften. Unter den Bäumen war es schattig und kühl, und es roch angenehm moderig wie in alten Kellern.
    »Warum gehen wir nicht hinüber und setzen uns einen Augenblick«, sagte Fritzi und nickte in Richtung Nummer 18 nebenan.
    Campari wunderte sich. Die Frau wollte freiwillig zurück an den Ort des Grauens, an dem ihre Freundin umgebracht worden war?
    … Von der Hüfte abwärts war sie nackt. Über den gesamten Unterbauch verlief ein tiefer Schnitt. Die Hände waren hinter dem Rücken mit einem Elektrokabel gefesselt …
    »Komm, hilf mir im Gartenhäusl nachzuschauen«, sagte Fritzi und zog ihn mit. »Vier Augen sehen mehr als zwei.«
    Campari starrte Fritzi fasziniert an. Er wusste nicht recht, ob das Gefühl schon immer in ihm drin gewesen war oder ob ihm ihr Liebreiz erst in diesen Stunden aufgefallen war. Manchmal flachste sie mit ihm herum wie ein Kind. Allein schon, wie sie ihn herumdirigierte, mit einem Arm wedelte oder auf etwas deutete – alles an ihr schien zu pendeln, jede ihrer Bewegungen war harmonisch. Wie hypnotisiert verfolgte er zwischendurch ihr Mienenspiel. In einem schmalen Gesicht hatte sie volle Lippen und ein breites, ein wenig schiefes Lächeln. Überhaupt war ihr ganzes Gesicht unregelmäßig – die Nase schief, das Kinn nicht eben.
    »Darf ich das hier wegmachen?«, fragte sie.
    Die Rede war von dem Polizeisiegel, das die Spurensicherung hinterlassen hatte. Fritzi hatte gerade ausgesprochen, da ertönte eine weitere Stimme von hinten.
    »Was willst du wo wegmachen, hä?«
    Campari fuhr herum.
    »Was treibt ihr zwei denn da?«, bellte seine Frau.
    Einen Moment lang kam er sich fast hilflos vor. »Wir suchen Schneeglöckchen«, gab er beißend zurück.
    Das hätte er nicht tun sollen.
    Margot stürzte sich auf ihn und hämmerte mit Fäusten auf ihn ein. Sie beschimpfte ihn, als hätte sie ihn in flagranti mit einer fremden Frau im Bett erwischt. Er kannte das und ließ die Tortur mit Engelsgeduld über sich ergehen – und mit einem krummen Blick auf Fritzi. Er wusste, dass der Anfall ebenso schnell vorübergehen würde, wie er gekommen war.
    »He, wir beide ermitteln in einem Mordfall«, sagte er, als nach einer gefühlten Viertelstunde die Gewalt der Schläge nachließ. »Warum musst du immer gleich das Schlimmste vermuten?« Sein Ton klang nachsichtig, doch seine Augen waren hart wie Kieselsteine.
    Auch bei Fritzi machte sich eine jähe Vereisung im Blick bemerkbar. Als ob ein Rollo heruntergerasselt wäre.
    Margot Campari war blass geworden. Sie schnaufte wie

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