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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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vor und beäugte die Bilder mit viel Interesse. Dann schüttelte sie den Kopf und machte eine abweisende Geste.
    Nach außen mochte Bürgermeister Campari uninteressiert wirken. Seine schmalen Augen funkelten jedoch vor Vergnügen, während er eine Herde weißer Ziegen beobachtete, die jenseits des Libellenwegs und des schmalen Bachs hinter dem Weidezaun ruhig graste. Ein Hund rannte umher und bellte sie an. Ansonsten war es unendlich ruhig. Nur das entfernte Plätschern des Bächleins und das Rauschen der mit Früchten beladenen Obstbäume rings ums Haus unterbrachen die Stille. Die Luft, die aus Norden wehte, war klar und süß wie eisgekühlter Apfelmost. Und doch hatte sie einen Biss, der darauf schließen ließ, dass kühle Sommernächte drohten.
    Camparis gelassen wirkendes Verhalten täuschte. Jedes Wort, das gesprochen wurde, registrierte er aufmerksam, und er bekam jede Geste mit. »Also, Sie haben kein Kind und keinen Mann in Theas Nähe gesehen«, mischte er sich ein.
    Fritzi war auch der Meinung, dass man unter diesen Umständen zum Schluss kommen und sich wichtigeren Aufgaben zuwenden konnte.
    Doch es kam anders.
    »Das hab ich nicht gesagt«, meldete sich Frau Stadtmüller noch einmal zu Wort. Das Strickzeug lag in ihrem Schoß, ihre Augen glänzten. »Einen Mann hab ich mehrmals gesehen. Sie hat ihn auch hineingelassen. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich. Thea war Physiotherapeutin, und das wird ein Patient gewesen sein. Ich hab mich nur gewundert, dass ich niemals eine Frau gesehen hab. Auch Frauen haben Rückenweh.«
    »Haben Sie den Mann gekannt?«, fragte Fritzi.
    »War es einer aus dem Ort?«, fragte Campari.
    Langsam schüttelte sie den Kopf. »Ich glaube nein. Wobei das relativ ist. Ich kenne schließlich nicht alle Männer vom Ort. Ich komm ja nicht so häufig rum.« Sie sprach mit leiser Stimme.
    »Reden Sie«, bat Campari. »Ihnen liegt doch noch etwas auf der Zunge.
    Fast dankbar schaute die Frau ihn an. »Sie machten beide den Eindruck, vertraut miteinander zu sein. Als ob er ein Verwandter war. Ein Cousin. Oder ein Bruder.«
    »Aber der Mann auf dem Bild war es nicht? Da sind Sie ganz sicher?« Noch einmal hielt Fritzi der dicken Frau das Foto unter die Nase.
    Sie sah nicht einmal hin. »Absolut sicher«, sagte sie. »Den hab ich nie gesehen.«
    Konnte es sein, dass die Person, welche Frau Stadtmüller beobachtet hatte, der Vater von Theas Jungen war und der auf dem Foto ein unbedeutender anderer? Männer schien ihre Freundin schließlich reichlich gekannt zu haben.
    Fritzi warf einen prüfenden Blick auf Campari. Er wirkte blass und ernst. Vorhin hatte er für ein, zwei Augenblicke den Eindruck erweckt, auch er habe etwas mit Thea gehabt. Sie verwarf den Gedanken. Doch etwas anderes entdeckte sie in seinen Augen. Ungeduld und Ärger. Worauf oder auf wen war er ärgerlich?
    Diesen Gedanken konnte sie nicht mehr zu Ende führen. Es klingelte an der Tür. Gleichzeitig sahen Campari und Fritzi der Frau im Rollstuhl fragend ins Gesicht.
    Sie hob die Schultern. »Keine Ahnung«, sagte sie. »Wären Sie so nett?«
    Fritzi ging zur Tür und öffnete nichts ahnend.
    Fast wäre sie erstarrt.
    Schwarze Baseballmütze. Brille, die weit vorn auf einer schnabelartig gekrümmten Nase saß. Dreitagebart. Schwarze Jeans.
    Ihr Journalist!
    Sie hielt den Atem an. »Ist etwas mit Odilo passiert?«, rief sie ihm entgegen.
    Sie hatte Odilo diesmal bei Heidi abgeliefert. Margot Campari war für kurze Zeit aushäusig. Nein, mit Odilo war nichts passiert. Ein kurzer Anruf bestätigte das. Die beiden kamen gut miteinander klar.
    »Wenn er nicht den Blumenpavillon anzündet oder dem Hund ein Ohr ausreißt«, scherzte Heidi. »Oder noch schlimmer: nicht in eine Ecke pieselt.«
    Camparis Blick ruhte besorgt auf Fritzi, als ihm der Mann vorgestellt wurde. Journalist, mit der Bahn angekommen, der plane, eine Reportage über das »Herzlichste Dorf« zu schreiben.
    »Ich bin Reporter, kein Journalist. Ich bin besser als die. Ich schreibe keine Klatschgeschichten. Ich schreibe nur Ernsthaftes. Zum Beispiel über Ihr Herzlichstes Dorf. Meine Texte sind sauber ausgearbeitet und haben Klasse. Und da es jetzt einen Mordfall zu berichten gibt, steige ich natürlich auf der Stelle um«, sagte er begeistert. »Und Sie Herr Bürgermeister, müssen mir dabei helfen.«
    Bürgermeister Camparis Miene nahm den Ausdruck eines Felsblocks an. »Einen Scheißdreck werde ich tun«, knurrte er.
    »Wie bitte?«, fragte der Mann

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