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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Was wissen Sie sonst noch?«
    Stolz warf Fritzi den Kopf zurück. Sie hatte aus eigenem Antrieb recherchiert und einige Ergebnisse erzielen können.
    »Dass er den Bauernhof – also das landwirtschaftliche Anwesen – seiner Oma nach deren Tod geerbt hat, werden Sie ja wissen«, sagte sie zum Pater. Fanny würdigte sie keines Blickes. »Vor etwa einem Jahr ist er dort eingezogen. Er kommt aus der Gegend um Burghausen und war in einer Chemiefabrik beschäftigt. Wegen eines Unfalls dort ist er seit zwei Jahren Frührentner, bezieht eine kleine Versehrtenrente, klagt gegen seine frühere Firma und schlägt sich so lala durch. Wollen Sie sich nicht setzen?«
    Die fette Bäuerin war aufgestanden und strebte dem Ausgang zu. In all ihrer Korpulenz stapfte sie durch den Mittelgang, als würde sie durch Wasser waten, und schwenkte den freien Arm wie eine Ertrinkende.
    Fritzi rutschte auf.
    »Kennenlernen tut man die Leute auf dem Markt, nicht in der Kirche«, sagte Pater Timo, nahm ächzend neben Fritzi Platz und strich die Soutane über den Knien glatt. Er duftete schwach nach Rasierwasser.
    »Gibt’s denn schon einen Verdächtigen?«, fragte die Fanny mit gespannter Miene. »Dass die Thea von einem Mann umgebracht wurde, ist ja klar. Oder?«
    Mit einem Lächeln, das etwas Überhebliches an sich hatte, schaute Fritzi über die Schulter, zuckte mit den Achseln und schwieg.
    Schweigend verbrachten sie auch den Rest der Fahrt. Auf dem mit Kopfstein gepflasterten Marktplatz in Wasserburg stiegen sie aus.
    »Viel Erfolg«, rief Fritzi den beiden hinterher.
    »Gottes Segen!«, wünschte Pater Timo.
    Die Fanny machte sich schnurstracks auf den Weg zur Kirche.
    Fritzi wartete an der Rosenheimer Straße, um den Verkehr vorbeifahren zu lassen, bog in die Getreidegasse ein und las auf dem Schild in der Eingangshalle zu Nummer 49, die Geschäftsstelle sei im dritten Stockwerk zu finden. Sie nahm den Aufzug und klingelte dort.
    Ein Mann öffnete mit freundlicher Miene. Sie trat ein und stellte mit Begeisterung fest, dass das Büro voller Licht war, hell und freundlich, ebenso das Mobiliar. Zwei Fenster gingen zur Straße hinaus. Auf dem marmornen Sims des einen stand ein Krug mit frischen Sommerblumen. Insgesamt herrschte eine Atmosphäre heiterer Geschäftigkeit.
    »Ja, freilich kenn ich die Thea gut«, sagte Willy Brey. »Kannte ich«, verbesserte er in gepflegtem Bayerisch. Er hatte eine sympathische Ausstrahlung und Lachfalten um die Augen unter dichten schwarzen Brauen. Fritzi kannte das Gesicht aus der Presse und aus Interviews im Regionalfernsehen. Der erfolgreiche Basketballcoach trug ein kariertes Sporthemd und ein helles Sakko zu edel wirkenden Jeans. Als er aufsah und Fritzi anblickte, schien ihr das Gewicht, das ihr den ganzen Morgen über in der Magengrube gelegen hatte, plötzlich gar nicht mehr so schwer zu sein.
    »Was für ein wunderschöner Morgen«, sagte sie geistreich.
    Er lachte. »Sie sind nervös, gell? Sie machen das nicht jeden Tag.«
    Wie ertappt fühlte sie sich. Ihre Wangen, auf denen im Gegenlicht zarter Flaum zu erkennen war, glühten.
    »Das mit der Thea ist ja entsetzlich«, fuhr der Mann fort. »Es hat uns alle, Trainer, Betreuer und Spielerinnen, sehr getroffen. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um zur Aufklärung beizutragen.«
    Er setzte sich ihr gegenüber. Sie hatte den Eindruck, dass etwas Farbe aus seinem Gesicht gewichen war.
    »Schießen Sie los. Was wollen Sie wissen?«
    Willy Brey wusste weniger über das Privatleben seiner Spielerin, als Fritzi sich erhofft hatte.
    »Ich weiß noch nicht einmal, ob sie verheiratet war«, bekannte er. »Wenn es einen Anlass gab, haben wir auch mal zusammen gefeiert. Sanft gefeiert. Aber da waren Angehörige nie dabei. Keine Männer, keine Kinder. Ich war außer dem Sport- und dem Pressewart ihr einziger Mann.«
    Fritzi hielt ihm das Foto der schwangeren Thea, das mit dem kleinen Jungen und das mit dem blonden Mann vor die Nase. »Und Sie haben nie bemerkt, dass sie schwanger war?«
    Willy Brey kam sichtlich ins Schleudern. Verlegen bürstete er den Ärmel seines Sakkos frei von Fusseln, Staub und Fliegendreck. Doch bevor er sich zu einer Antwort entschließen konnte, flog die Tür auf und schlug gegen die Wand.
    Eine gut aussehende Frau, groß und brünett, stand unter der Tür. Ihr Gesicht war nicht das einer Büroangestellten. Sie hatte eine hohe Stirn, tiefschwarze Augen, einen dunklen Teint, ein ausgeprägtes Kinn und einen schmalen Mund.

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