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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Spur ergeben. Sie stocherten im Dunkeln herum. Und dann Camparis Idee mit der Exhumierung von Theas Leiche. Er glaubte ja fest daran, dass damit der Durchbruch erfolgte.
    Wieder legte sich ein schmales Lächeln über ihr Gesicht. Sie stopfte ein Kissen in den Rücken und stützte sich gegen die Lehne der Couch. Die Klopfgeräusche, die sie eben gehört hatte, kamen sicher von oben. Gleich würde sie noch einmal nach Odilo schauen.
    Wenn’s nur so einfach wäre. Du gräbst eine Leiche aus und wartest darauf, wer alles an dem Spektakel teilnimmt. Du fotografierst und filmst die Menge, wertest später das Material aus, freust dich und nimmst den als Mörder fest, der sich am verdächtigsten verhalten hat.
    Für den Moment fühlte Fritzi Gernot sich sicher und geborgen. Sie überschaute ihre eigenen Gedanken, als sie dort auf der Couch fläzte und oberflächlich dem Film im Fernsehen folgte.
    Bis sie meinte, hinter sich eine Bewegung zu spüren. Eigentlich mehr ein Instinkt, der sie herumwirbeln ließ, um vor dem, was da rasend schnell auf sie zuzischte, schützend die nackten Arme vor den Kopf zu halten.
    Der Prügel oder die Stange oder das Rohr traf beide Arme gleichzeitig exakt in der Mitte. Elle oder Speiche? Egal. Der Schmerz ließ sie die Arme zurückreißen. Das Trumm hob sich kurz und sauste auf ihren Schädel nieder. Sie empfing den Schlag hilflos. Sie war sicher, dass dies ihr letzter Schmerz, ihr letzter Gedanke im Leben war.
    Ein allerletztes Bild nahm sie noch mit.
    Eine hohe Gestalt mit verrutschter schwarzer Gesichtsmaske und hoch erhobenen Armen.
    Dann fiel Fritzi Gernot in ein tiefes schwarzes Loch.
    Im Halbschlaf hatte Odilo den Fernseher laufen hören, seit Mama ihn zu Bett gebracht hatte. Er mochte das. Dann wusste er, dass Mama in der Nähe war. Deshalb ließ sie auch immer seine Tür auf.
    Geweckt wurde er durch einen dumpfen Krach. So wie beim Holzhacken. Aber wer hackte schon am Abend Holz? Und noch dazu bei ihnen im Haus.
    Das musste er in Erfahrung bringen. »Neugier ist der Docht in der Kerze des Lernens«, plapperte er leise. Auch diesen Spruch hatte er von Mama.
    Er schnappte sich sein Schlaftier und schleppte es über die Treppe nach unten. Die nackten Füße gaben keinen Laut. Denn Odilo war schlau genug, nicht hinunterzurennen und laut »Mama! Mama!« zu rufen. Odilo schlich.
    Als er die unterste Stufe schleichend hinter sich gelassen hatte, hörte er ein Geräusch, das nicht hierherpasste. Er hörte, wie eine Tür zuschlug. Es war die hintere Tür zum Garten.
    Und er hörte nicht nur, er sah auch etwas. Er sah Mama auf dem Fußboden liegen. Und Mama blutete.
    Das war er gewohnt. Das hatte er schon oft erlebt, dass Mama aus der Nase blutete. Bloß – hier war viel mehr Blut. Der ganze Kopf war voll Blut. Und Mama stand nicht wie sonst und hielt den Kopf nach unten und die Hände vors Gesicht.
    Aha, musste Odilo denken, diesmal hat sie’s gscheit erwischt. »Du blutest ja schon wieder«, wollte er ihr zurufen. Doch das war zu wenig. Denn Mama blutete wie Sau.
    Um sie aufzumuntern, brachte er wieder den Spruch, den sie so mochte. Er sprach extra ziemlich laut. »Bayern können alle Plagen, aber bloß kein Blut vertragen.«
    Mama lachte nicht. Mama rührte sich nicht. Mama machte keinen Mucks.
    Das machte ihn unruhig. Das viele Blut. Und immer noch kam neues Blut
    Odilo kniete sich hin. Jetzt erst sah er, dass das Blut nicht aus der Nase kam. Es kam aus dem Kopf. Oben am Kopf war es schon hart. So wie an seinem Knie nachm Fußball.
    Ganz zart legte er der Mama die Hand auf die Schulter. Er schüttelte sie ein wenig. Sie behielt die Augen geschlossen und rührte sich nicht. Das hielt er nicht für normal.
    »Wenn irgendwann mal ein Notfall ist«, hatte ihm die Mama eingetrichtert, »dann ruf diese Nummer an.«
    Die Nummer war im Telefon gespeichert, und Odilo wusste, wie es geht. Das, was er hier vorfand, hielt er für einen Notfall. Also trippelten Odilo und sein Schlaftier zum Telefon.
    Mit dem Däumchen durchsuchte er den Speicher, bis er auf die Nummer stieß.
    Odilo reckte sich und holte tief Luft. Ein paar Sekunden lang hielt er sie in den Lungen. Und blies sie wieder aus.
    »Na, jetzt wollen wir mal«, sagte er leise zum Schlaftier.
    Der Maxi nickte.
    Dann drückte er die grüne Taste mit dem Telefonhörer.

acht
    Alles im Raum war schwarze oder graue Silhouette. Der geschnitzte Schrank aus extrem dunkler deutscher Eiche, der noch vom Vorgänger stammte. Der leicht demolierte

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