Kirschenküsse
meine Aufregung erneut steigen.
»Meinst du denn, das wird reichen?«, fragte ich deshalb weiter und ließ die wenigen Münzen in meiner Hand klimpern.
»Glück kann man nicht kaufen, sagt mein Vater immer«, erwiderte er. »Es kommt nicht darauf an, was für eine Summe du hineinwirfst, sondern dass du es tust. Dreh dich einfach um und wirf die Münzen nacheinander in den Brunnen. Wenn sie die große Muschel treffen, wird sich dein Wunsch erfüllen.«
»Nur dann?«, fragte ich und ließ zu, dass er mich langsam herumdrehte.
»Ja, nur dann.«
Ich blickte auf die Münzen in meiner Hand. Soweit ich es im Mondschein erkennen konnte, waren es ein Zehner, ein Fünfer und ein Einser.
Mit dem Zehner begann ich, denn auch wenn Thomas meinte, dass Glück nicht käuflich war, wollte ich die Münze mit dem größten Wert dem Wunsch widmen, der mir am wichtigsten war.
Ich wünsche mir, dass Mona nicht mehr sauer auf mich ist , bat ich stumm, kniff die Augen zusammen und warf das Zehncentstück in den Brunnen. Ein Platschen ertönte, aber ich konnte daraus nicht ersehen, ob ich getroffen hatte oder nicht.
»Ist sie reingegangen?«, fragte ich Thomas, doch der antwortete: »Das musst du selbst sehen. Ich verrate nichts, denn ich will deinen Wunsch nicht kaputt machen.«
»Und wie soll ich erkennen, dass es meine Münze ist, die in die Muschel gefallen ist?«
»Weil die anderen Münzen erst heute rausgesammelt wurden«, antwortete er.
»Was sagst du da?«, fragte ich und wirbelte erschrocken herum. »Macht das denn nicht die Wünsche kaputt?« Irgendwie hatte ich doch schon daran geglaubt, dass sie auch wirklich in Erfüllung gingen – schön wär’s ja – und wollte nun nicht mehr enttäuscht werden.
»Ich glaube nicht«, entgegnete er und zwinkerte mir verschmitzt zu. »Wir lassen die Münzen immer eine ganze Weile liegen. Außerdem zählt nur der Moment, in dem der Wunsch gewünscht wird und die Münze die Muschel trifft.«
»Na hoffentlich stimmt das auch«, entgegnete ich, lächelte ihn aber noch an, ehe ich mich wieder umdrehte.
Bitte lass es funktionieren!
»Du kannst mir vertrauen«, sagte Thomas. »Und falls du dich fragst, was mit den Münzen geschieht − die werden dazu benutzt, um den Brunnen hier instand zu halten. Gewissermaßen bleibt das Geld dann also doch im Brunnen.«
Okay, wenn das so war!
Ich blickte auf die zweite Münze, den Fünfer. Was war mir am zweitwichtigsten? Dass Papa wieder Arbeit bekam? Oder dass ich Thomas nach meiner Abreise nicht wieder aus den Augen verlor? Dass Norman mich in Ruhe ließ oder dass ich den Wettbewerb gewann?
Nach kurzem Nachdenken schwankte ich zwischen Papas Arbeitsstelle und Thomas.
Ich entschied mich schließlich für Ersteres, denn ich würde mir sonst egoistisch vorkommen, wenn ich mir nur Sachen wünschte, die mir gefielen und dabei das Wohl meiner Familie außer Acht ließ.
Der letzte Wunsch war dann tatsächlich der, dass ich Thomas nicht aus den Augen verlor. Drei Tage war ich noch hier, viel zu kurz, um ihn näher kennenzulernen. Dabei wollte ich noch so viel über ihn wissen!
Ich schloss also erneut die Augen und warf dann das Eincentstück. In dem Moment, als es in den Brunnen platschte, schoss mir die Frage durch den Kopf, ob ein Eincentstück genau denselben Wert hatte wie ein Glückspfennig. Wenn ja, so hatte ich wohl doch meinen wichtigsten Wunsch für Thomas aufgehoben.
Nun kam der spannende Moment. Waren die Münzen in der Wunschmuschel gelandet und würden so meine Wünsche in Erfüllung gehen?
Als ich hoffnungsvoll in den Brunnen blickte, musste ich feststellen, dass keine der Münzen getroffen hatte. Alle hatten haarscharf den Rand der Muschel verfehlt.
»Na so ein Pech«, ärgerte ich mich und spürte dann Thomas’ Hand tröstend auf meiner Schulter.
»Mach dir nichts draus. Vielleicht erfüllen sich deine Wünsche auch so.« Er schaute mich aufmunternd an, doch ich blickte nur zweifelnd zurück.
»Wenn es dich tröstet: Nach dem Diebstahl hatten wir die Muschel ein wenig verrücken müssen. Vielleicht hat sie sich ihren alten Standort gemerkt und bringt dir trotzdem etwas Glück.«
Jetzt musste ich lächeln, denn das war wirklich süß von ihm, wie er versuchte, mich aufzumuntern. Und anscheinend war ihm das noch nicht Trost genug, denn plötzlich zog er mich in seine Arme. Mein Herz schlug schlagartig so schnell, dass ich fast schon glaubte, dass er es an seiner Brust spüren müsste. Wir sahen uns in die Augen und dann
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