Kirschroter Sommer (German Edition)
Dauerwelle machen!«
»Eine Dauerwelle?«, wiederholte ich und unterdrückte ein Lachen.
»Ja«, knurrte er. »Und andauernd musste ich sie trösten! Sie hat mir sage und schreibe drei T-Shirts durch geheult!«
Ich fasste ihn an die Schulter. Niemand konnte ihn besser verstehen als ich.
»Gott, Elyas ….« Ich schüttelte den Kopf. »Ich fühle mit dir und weiß, was du durchmachen musstest.« Wie oft war ich schon diejenige gewesen, die Alex in ihren Emo-Wochen die Hand halten musste? Ich konnte von Glück reden, dieses Mal davon verschont worden zu sein. Und eigentlich war es fast schon wieder süß, wie rührend er sich offenbar um seine Schwester gekümmert hatte.
»Siehst du?«, flüsterte er weiter. »Und da du jetzt wieder in Berlin bist, weißt du ja auch, wer das nächste Mal herhalten muss, wenn er sie wieder nicht küsst!«
Mein Mund formte ein O.
»Ich sehe, wir verstehen uns«, sagte er. »Also haben wir jetzt genau zwei Optionen. Die eine ist, dass ich Sebastian Geld gebe, damit er sie endlich küsst. Die andere wäre, wir lassen ihnen die Romantik und verschwinden!«
Ich rieb mir über den Nacken. Er hatte Recht. Das Drama, das mich mit Sicherheit erwarten würde, wäre riesengroß, und da ich momentan genug mit meinem Studium zu tun hatte, konnte ich das überhaupt nicht gebrauchen. Also gab ich mich nach einigem hin und her schließlich geschlagen.
»Solltest du mich in irgendeiner Weise anfassen, Elyas, dann zerlege ich dich in deine aufdringlichen Einzelteile!«
Er lächelte schief und hob die Hände. »Ich werde ganz brav sein.«
Wer’s glaubt, wird selig, dachte ich mir. Doch was blieb mir anderes übrig, als mich darauf zu verlassen.
»Kannst du dich denn nicht mehr an die CD erinnern, von der ich dir erzählt habe?«, fragte er laut und blickte über den Kühlschrank hinweg zu Alex und Sebastian.
»Ach, die CD«, stieg ich darauf ein und fasste mir an die Stirn.
»Genau! Am besten kommst du mit, dann zeige ich sie dir gleich.« Er schloss den Kühlschrank, holte unsere Gläser, warf Sebastian und Alex einen pseudo-entschuldigenden Blick zu und lief voraus.
Natürlich war unser unauffälliger Abgang alles andere als unauffällig. Nicht nur wegen unserer schlechten Improvisation, sondern allein schon deswegen, weil ich Elyas freiwillig in sein Zimmer folgte. Nicht mal ich kam drum herum, mir die Frage zu stellen, was ich hier eigentlich tat. Alex, du stehst sowas von in meiner Schuld!
Elyas bog in den Flur, so geschmeidig, dass ich mir hinter ihm wie ein Trampel vorkam. Jede seiner Bewegungen hatte so etwas Elegantes an sich, als wäre er die Verkörperung der Leichtigkeit des Seins.
Davon vollkommen beeindruckt, bemerkte ich zu spät, dass er stoppte und rannte prompt in ihn hinein. Er drehte sich zu mir um. »Mensch, Emely, kannst du nicht wenigstens warten, bis wir im Zimmer sind?«
Ich spürte, wie ich heiße Ohren bekam, während mir Elyas mit einem Schmunzeln die Tür öffnete und mich vor sich hinein gehen ließ.
Zwar war ich bereits ein Mal im Türrahmen gestanden, von innen jedoch hatte ich es noch nie gesehen. Es war sehr groß und geräumig und genau wie in der restlichen Wohnung auch ragten an den Wänden Dachschrägen hervor. Unterhalb eines großen Dachfensters stand sein ungemachtes Bett. Ich stellte es mir toll vor, jede Nacht dort zu liegen und einen freien Blick auf den Sternenhimmel zu haben. Ob Elyas wusste, wie glücklich er sich damit schätzen konnte? Ich wagte es zu bezweifeln.
Gegenüber vom Bett befand sich ein mittelgroßes schwarzes Sofa, und daneben der Sessel, auf dem er neulich saß. Direkt dahinter an der Wand hing ein schwarz-weißer Kunstdruck aus dem Film Fight Club.
Elyas stellte die mitgenommenen Getränke auf einen kleinen Tisch, während ich den Blick weiter umherschweifen ließ. In der anderen Ecke des Raumes, unter einem zweiten Dachfenster, stand ein großer Eckschreibtisch. Auf dessen linker Seite war ein Computer, auf der rechten türmten sich Bücher, Ordner und Notizzettel. In Wandschränken stapelten sich CDs, fast noch mehr als im Wohnzimmer.
Das Zimmer wirkte aufgeräumt, aber nicht übertrieben ordentlich. Man sah einfach, dass hier jemand lebte.
Elyas schien sich nicht daran zu stören, dass ich mich umsah und machte sich derweil an der Stereoanlage zu schaffen. Beinahe magisch wurde ich von dem Chaos auf dem Schreibtisch angezogen. Die meisten Bücher kannte ich nicht und von den Zetteln stellten sich viele als
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