Kirschroter Sommer (German Edition)
beide nicht so eilig.«
Sie stemmte die Hände in die Hüften und setzte diesen Gesichtsausdruck auf, den ich überhaupt nicht leiden konnte. »Du weißt, wie ich darüber denke!«
Ich rollte die Augen. »Ja, du hast mich mehr als einmal darüber informiert …« Wer war sie denn bitte? Meine Mutter?
»Sag mal, wie spät ist es eigentlich?«, fragte sie. Ich zog mein Handy aus der Tasche und warf einen Blick darauf. »Zehn nach Vier«, sagte ich.
Sie schlug sich die Hand vor den Mund. »Ich war vor zehn Minuten mit Sebastian auf dem Parkplatz verabredet.«
»Dann aber schnell!«, sagte ich und drückte sie zum Abschied.
»Mach’s gut, ja?«
»Werde ich, viel Spaß euch beiden.«
»Danke«, rief sie noch und rannte auch schon mit einem verliebten Grinsen durch die Aula. Noch eine ganze Weile sah ich ihr nach und seufzte schließlich. Ich will auch einen Sebastian …
Mit gemischten Gefühlen machte ich kehrt und begab mich zum Studentenwohnheim. Weil ich Eva mittlerweile bestens kannte, bereitete ich mich wie immer, wenn ich nach Hause kam, mental auf eine prekäre Situation vor. Doch was ich heute in unserem Zimmer vorfand, übertraf im negativen Sinne all meine Erwartungen.
Eva saß verzückt auf ihrem Bett, und ihr gegenüber auf meinem Bett saß charmant lächelnd Elyas Schwarz und unterhielt sich angeregt mit ihr.
Was zum Teufel?
»Da bist du ja endlich, Schatz«, empfing mich Elyas. »Eva und ich haben gerade von dir geredet.« Bildete ich mir das ein oder lief hier irgendetwas verkehrt?
Mein Blick wanderte zu Eva, in der unbändigen Hoffnung, ihr auf diese Weise telepathisch Schmerzen zu verursachen. Doch sie schmachtete ungerührt weiter Elyas an.
Ich warf meine Bücher aufs Bett. »Warum will ich überhaupt nicht wissen, worüber ihr gesprochen habt?«
»Alles halb so wild«, sagte Eva. »Ich habe ihm nur erzählt, wie du neulich in der Aula gestolpert und dem Dekan quasi in die Arme geflogen bist.« Eva sah zu Elyas und beide begannen zu kichern.
Die Betonung lag auf: Ich habe ihm » nur « erzählt! Wozu brauchte man Feinde, wenn man Freunde hatte?
»Vielen Dank, Eva. Falls du hier jemals wieder eine Nacht mit Nicolas verbringen wolltest, dann hast du das hiermit verspielt!«
»Och, sei nicht sauer, Schatz«, sagte Elyas. »Wir finden deine Ungeschicklichkeit doch einfach nur niedlich.«
Genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust, um zur alles entscheidenden Frage auszuholen. »Was machst du überhaupt hier?«
»Ich hab dich vermisst«, lächelte er. »Eva war so nett und hat mich rein gelassen, obwohl sie eigentlich gerade gehen wollte.«
Eva blickte zur Uhr. »Oh, meine Vorlesung. Wenn ich nicht zu spät kommen will, sollte ich jetzt aber wirklich los.«
»Entschuldige, dass ich dich aufgehalten habe«, sagte Elyas.
»Kein Problem«, antwortete sie und stand auf. Als sie neben mir in ihre Schuhe schlüpfte, versuchte ich sie verzweifelt davon abzuhalten, mich mit diesem Blödmann allein zu lassen. Doch mein flehender Blick wurde von ihr nur mit einem Schulterzucken beantwortet, ehe sie mit einem »Tschau« durch die Tür verschwand.
Na super! Notieren: Neue und bessere Freunde suchen.
»Tut mir Leid«, sprach Elyas in einem säuselnden Tonfall, als er sich elegant erhob und auf mich zukam. »Aber eine Woche ohne dich ist viel zu lange … Ich musste einfach vorbeikommen.« Wieder versuchte er, diese Sache mit seinen Augen zu machen. Wie hieß das noch gleich? Genau, hypnotisieren. Doch dieses Mal spannte ich meinen Körper an und ließ mich nicht einlullen.
»Hast du in deinem Telefonbuch keine Frauen, die nur darauf warten, von dir beglückt zu werden?«
Er zog verwegen einen Mundwinkel nach oben. »Bin soeben dabei.«
Selbstgefällig wie eh und je. Ich schnaubte. Was dachte der sich eigentlich? Und warum regte ich mich immer noch darüber auf?
»Du ärgerst dich gerade über mich, stimmt’s?« Er schmunzelte.
»Nein, das habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben!«
»Du bist so süß, wenn du versuchst zu lügen.«
Ich stöhnte auf.
»Also, was machen wir jetzt?«, fragte er.
»Was auch immer du vorhast, ich wünsche dir viel Spaß. – Ich muss jetzt jedenfalls lernen.«
»Was heißt das, lernen?«, erkundigte er sich.
»Ich muss dieses Buch lesen.« Ich deutete auf eins der Exemplare, die ich vorhin aufs Bett geworfen hatte.
Er runzelte die Stirn. »Lesen nennst du lernen?«
»Wenn ich bis Montag ein Exposé und eine Interpretation dazu abgeben will, macht
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