Kirschroter Sommer (German Edition)
ich von seinem indirekten Vorschlag hielt: »Elyas – und wenn du der einzige Mann auf der Welt wärst – vergiss es!«
»Ach ja?« Er zog eine Augenbraue nach oben und trug ein erhabenes Grinsen in seinem Gesicht. »Darf ich Madame daran erinnern, dass wir uns schon einmal geküsst haben?«
»Ach, sieh an, daran erinnerst du dich also noch.« Erstaunlich, wenn man bedachte, dass er mich bei unserem Wiedersehen nicht einmal erkannt hatte.
»Das beantwortet nicht meine Frage«, sagte er, ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen und ignorierte kurzerhand meinen Kommentar.
»Wenn du die Antwort unbedingt möchtest, bitte!«, sagte ich. »Erstens war ich jung und dumm. Zweitens bereue ich es zutiefst und drittens ist es mittlerweile verjährt und zählt nicht mehr.« Beherzt schloss ich meine Rede und bemerkte, dass er mich zwar weiterhin anlächelte, in seinen Augen aber kurzzeitig eine eisige Kälte herrschte, die mich, solange sie andauerte, leicht verunsicherte.
»Du denkst, ich nehme dir das ab?« Er schnaubte. »Du tust doch nur so. Glaub mir, ich kenne solche Mädchen wie dich.«
»So?«, fragte ich. »Du kennst solche Mädchen wie mich ? Jetzt machst du mich aber neugierig. Lässt du mich teilhaben an deiner Menschenkenntnis und an deinen damit verbundenen, und mit Sicherheit hoch geistigen Ergüssen?« Missbilligend betrachtete ich ihn und wartete auf seine Antwort.
»Sehr gerne«, entgegnete er und sammelte sich kurz, bevor er mir einen Einblick in sein stupides Hirn gab.
»Du bist weder so unschuldig noch so selbstbewusst, wie du tust. Mag sein, dass du ziemlich schlagfertig bist, aber letztendlich bist du tief in dir drinnen nur ein kleines, hilfloses Mädchen. Du bist eine von denen, die auf intellektuell und belesen machen, aber eigentlich nur hören wollen, dass sie hübsch sind.
»Davon mal abgesehen«, fügte er hinzu, »beschränkt sich ›belesen‹ meistens nur – wie in deinem Fall sicher auch – auf Harry Potter Band 1-27. Doch das ist ein anderes Thema.« Er lächelte und fuhr fort. »Tief in deinem Herzen wünschst du dir jemanden, der dir den ganzen Tag Honig um den Mund schmiert. Jemanden, der dir dein nicht vorhandenes Selbstbewusstsein aufbaut und mit dem du vor deinen kleinen Freundinnen angeben kannst.«
Zugegeben, ich war baff. Ich hatte wirklich mit dem größten Stumpfsinn gerechnet, aber das übertraf es noch bei weitem.
»Wow, Elyas«, lächelte ich und verabscheute ihn jetzt noch mehr, als ich es ohnehin schon getan hatte. »Ich danke dir recht herzlich für die aufschlussreiche Analyse meiner Psyche. Es war nahezu beeindruckend! – Möchtest du nun auch meine Meinung zu dir hören?«
»Ich bitte darum.«
»Nun ...«, seufzte ich in dem gleichen arroganten Tonfall, den auch er an den Tag legte. »Du bist ein Arschloch mit einer verdammt schlechten Menschenkenntnis.«
Ohne auch nur eine Sekunde sein überhebliches Lächeln einzustellen, sah er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich erwartete nicht, dass ein Denkprozess außerhalb seiner Hose stattfand, deswegen machte ich mir auch keinerlei Hoffnungen, es würde auch nur eine einzige Silbe von dem, was ich ihm an den Kopf geworfen hatte, zu ihm durchdringen. Dennoch schwieg er für eine Weile, offensichtlich wusste er nicht, was er dem entgegensetzen sollte.
Ich war noch nie so erleichtert gewesen, das Geräusch einer sich öffnenden Tür zu hören wie in diesem Moment. Alex trat mit einer Einkaufstüte in den Raum und wirkte ziemlich verblüfft, als sie mich neben Elyas auf dem Sofa erblickte. »Du bist ja schon da«, sagte sie.
»Ja«, antwortete ich, »Und wenn du kein Einzelkind werden willst, dann sollten wir möglichst schnell in dein Zimmer gehen.« Ich würdigte Elyas keines Blickes mehr und stand auf.
KAPITEL 3
Who the fuck is Luca?
Auf meinem Schreibtisch herrschte das Chaos. Bücher, Notizzettel, zusammengeknülltes Papier und CDs lagen quer auf der Oberfläche verteilt und stapelten sich langsam aber sicher zu kleinen Türmchen. Nur in der Mitte existierte noch ein kleiner, schmaler Streifen, den ich für meinen Laptop mit der »Wir-schieben-alles-nach-außen«-Taktik frei geräumt hatte. Genau vor diesem Spalt, auf meinem alten Schreibtischstuhl und mit den Fingern auf der Tastatur, saß ich.
Das Chaos auf meinem Arbeitsplatz war jedoch nichts im Vergleich zu dem, das sich auf meinem Bett befand: Es war einen Meter fünfzig groß, lag bäuchlings auf der Matratze, baumelte mit den
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