Kirschroter Sommer (German Edition)
Entfernung stand das letzte Motorrad, die Enduro, und davor Elyas und Jessica. Sie unterhielten sich, und mein Magen zog sich ein bisschen zusammen.
Wieso hatte er mich nicht mal gefragt, ob ich bei ihm mitfahren wollte? Natürlich hätte ich nein gesagt … Aber dass er nicht mal gefragt hatte …
Als die beiden unverhofft die Köpfe hoben und in meine Richtung schauten, sah ich schnell zurück zum Wagen.
Weil ich nach dem gestrigen Abend nicht mehr bei Nick mitfahren wollte, blieb mir also nur noch der Jeep übrig. Nicht die schlechteste Wahl, wie ich fand.
»Ach, Emely, bevor ich’s vergesse«, sagte Sophie. »Was machst du an Halloween?«
»Warum fragst du?«
»Wir veranstalten bei mir zu Hause eine große Party und du bist herzlich eingeladen.«
Sie lud mich auf eine Party ein? Zwar hatte ich während des Zeltens nichts mehr von ihrer anfänglichen Abneigung gegen mich gespürt, trotzdem kam das für mich unerwartet.
»Ich weiß nicht«, überlegte ich laut. »Wenn mich nicht alles täuscht, muss ich da arbeiten.«
Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. »Das wäre aber blöd. Kannst du nicht tauschen?«
»Ich kann es versuchen. Aber die meisten werden sich wohl nicht darum reißen, an Halloween eine Schicht zu übernehmen.«
»Das schaffst du schon irgendwie«, sagte Andy. »Wenn ich daran denke, wie kreativ deine Antworten bei Elyas sind, bin ich sehr zuversichtlich.« Er grinste.
»Oh ja, dafür hättest du echt ’nen Preis verdient«, stimmte ihm Sophie zu. »Wurde schon längst Zeit, dass dem mal eine den Kopf wäscht.«
»Oder verdreht«, fügte Andy hinzu, woraufhin seine Freundin abwägend nickte.
Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
»Ich ziehe es vor, ihm den Kopf eher um zudrehen«, murmelte ich trocken.
»Genau diese Art von Humor meinte ich«, lachte Andy und verstaute das letzte Zelt im Kofferraum. Kaum hatte er uns den Rücken zugewandt, kam Sophie einen Schritt näher an mich heran. »Du hast mein vollstes Verständnis«, sagte sie. »Aber sei ein wenig gnädig mit Elyas, er ist manchmal einfach ein bisschen dämlich. Er ist eben ein Mann, was will man erwarten?« Sie ließ den Blick kurz zu ihrem eigenen, hoffnungslosen Exemplar wandern. »Ich kenne Elyas jetzt schon seit ein paar Jahren«, fuhr sie fort. »Es dauert ziemlich lange, bis er einen hinter die Fassade blicken lässt. Aber wenn es dann soweit ist, dann sieht man, dass hinter seinem ganzen Getue ein wirklich netter Kerl steckt.«
Ich zog die Stirn nach oben. Sprang sie gerade für Elyas in die Bresche?
»Reden wir hier von dem gleichen Elyas?«, fragte ich.
Sie lachte. »Ja, tun wir. Du wirst es eines Tages sehen.« Weil ihr Augenmerk auf einmal hinter mich fiel, folgte ich ihrem Blick und erkannte Jessica.
»Emely?«, fragte sie.
Das war das erste Mal, dass sie mich persönlich ansprach. »Ja?«
»Herrgott, was fabrizierst du da eigentlich schon wieder«, zeterte Sophie und ging ihrem Zukünftigen zur Hand.
Jessica machte einen kleinen Schritt auf mich zu. »Hättest du ein Problem damit, wenn ich im Jeep mitfahren würde?«
Erst war ich irritiert und verstand nicht, warum sie mich das fragte, doch dann zählte ich gedanklich die Insassen durch und begriff. Ich belegte den letzten freien Platz im Jeep.
»Ehm …«, murmelte ich.
»Es ist nur so«, sagte sie und blickte auf ihre Hände. »Du hast die Sache mit Nick sicher mitbekommen … Er ist der Letzte, mit dem ich auf einem Motorrad sitzen möchte. Vielleicht kannst du das ja nachvollziehen.«
Ich nickte. Natürlich konnte ich das.
»Nun ja, und Elyas«, seufzte sie, »fährt leider wie eine gesenkte Sau … Mir war nach der Hinfahrt zwei Stunden schlecht. Deswegen würde ich dieses Mal gerne darauf verzichten und besser mit dem Jeep vorlieb nehmen. Ginge das?« Mein Blick wanderte an ihr vorbei zu Elyas, der mit dem Rücken zu uns vor seinem Motorrad stand.
Sehr raffiniert, Herr Schwarz! Wirklich sehr raffiniert.
Das war nichts anderes als ein abgekartetes Spiel, das zwanzig Kilometer gegen den Wind stank. Ich holte Luft und wollte Jessica gerade sagen, dass Elyas sich schon etwas Besseres einfallen lassen müsste, als mir Andy zuvor kam.
»Klar, Jess, steig ein. Ich habe gehört, Emely hat keine Probleme mit einem schnellen Fahrstil.«
Ich starrte ihn mit geöffnetem Mund an.
»Das ist nett, vielen Dank, Emely. Du hast was gut bei mir!«, sagte Jessica, drehte sich um und lief auf das Auto zu.
Mein Mund schloss sich und mein Blick wurde
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