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Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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Blick nicht von der Stelle, an der ich sie zuletzt gesehen hatte, abwenden. Als ich meinen Kopf schließlich wieder zu Alex drehte, empfing sie mich mit ebenso großen Augen, wie ich sie bei mir selbst vermutete. Wir schluckten synchron.
    »So viel zum Thema Komplexe«, murmelte ich.
    »Was war das? Ein animiertes retuschiertes Foto?«, fragte Alex.
    »Ich hoffe es. – Alles andere wäre eine Frechheit.«
    Wir brauchten beide einen Moment, um uns von dieser überirdischen Erscheinung zu erholen. Alex war die erste, die das Erlebnis aus ihrem Kopf schüttelte und sich abermals ihrem Gemüse zuwandte. Ich dagegen fühlte mich nach wie vor seltsam. Bislang war ich davon ausgegangen, dass Elyas bei seiner Frauenauswahl nicht besonders wählerisch war. Jetzt allerdings stellte sich mir die Frage, wie in aller Welt ich in sein Jagdmuster passte. Mit dieser Frau von gerade eben hatte ich nicht das Geringste gemeinsam. Ich bezweifelte sogar, dass wir überhaupt der gleichen Spezies angehörten.
    Der Idiot, der mir eine Antwort darauf geben könnte, entschied sich jetzt ebenfalls dazu, sein Zimmer zu verlassen, was meine Stimmung augenblicklich noch tiefer in den Keller sinken ließ. Seine Schritte näherten sich, wurden lauter, bis er letztendlich mit ebenso verwuschelten Haaren den Wohnraum betrat. Als er mich erblickte, hielt er für den Bruchteil einer Sekunde inne. Doch schon kurz darauf schlich wieder ein verwegenes Lächeln über sein Gesicht und er setzte seinen Weg fort.
    Eigentlich konnte ich von Glück reden – falls man dieses Wort überhaupt im Zusammenhang mit ihm verwenden sollte –, dass er angezogen war. Nur sein Gürtel, der um seine lässige und auf der Hüfte sitzenden Jeans hing, war geöffnet. Er trug ein schwarzes T-Shirt, auf dem auf Brusthöhe in großen roten Zahlen die Nummer »69« prangte.
    Barfuß schlenderte er über das Laminat und lehnte sich gegenüber von mir an den Küchentresen. »Na, Emely?«, grinste er. »Wie fandest du meine Cousine?«
    Ich hob eine Augenbraue. »Deine Cousine?«, lachte ich humorlos. »Und wo feierst du deine Familienfeste? Im Swingerclub?«
    Er grinste. »Tut mir leid, Schatz«, sagte er bedauernd. »Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn du vorher einen Termin ausgemacht hättest. Dann hätten wir dieses unglückliche Aufeinandertreffen mit meiner Cousine umgehen können.« Er warf einen Blick auf die Küchenuhr. »Aber du hast Glück, ich habe gerade ein bisschen Luft. Wenn du willst, kann ich dich schnell dazwischen schieben.«
    Ich schnaubte und verschränkte giftigen Blickes die Arme vor der Brust. »Pass du lieber auf, dass ich dir nicht gleich mein Knie dazwischen schiebe.«
    »Ist das ein Angebot?«, fragte er schmunzelnd. »Honey, ich bin für jede neue Technik offen.«
    »Jederzeit. Wann und wo du willst«, antwortete ich und grummelte. Er stieß sich von der Theke ab, holte sich aus dem Kühlschrank eine Wasserflasche und trat anschließend wieder an seinen alten Platz. Ich beobachtete ihn beim Trinken, bis sein T-Shirt erneut meine Aufmerksamkeit erweckte.
    »Wofür steht eigentlich die 69?«, fragte ich. »Für die Anzahl der Frauen, die du hattest? Für die Stellung? Oder gar für deinen IQ? – Ich tippe auf Letzteres.«
    »Wie wäre es mit Zentimeter?«, entgegnete er.
    »Wie wäre es mit: Dann nimm deine Salatgurke und geh duschen?«
    Er lachte leise auf und auch Alex begann zu kichern.
    »Mann, Elyas«, sagte sie. »Du und deine dämlichen Sprüche. Muss das sein?«
    Ich zeigte mit dem Finger auf sie, lächelte und nickte. Da hast du’s gehört! Doch er reagierte nicht auf die Worte seine Schwester, trank stattdessen von seinem Wasser und warf mir im Stillen vielsagende Blicke zu.
    Manchmal fragte ich mich ernsthaft, was in seinem dümmlichen Schädel vorging, wenn er mich auf diese Weise ansah. Aber wahrscheinlich, so vermutete ich, war es besser, es nicht zu wissen.
    Ich baumelte ein bisschen mit den Beinen, versuchte Elyas auszublenden und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Irgendwann rückte die Uhr in mein Blickfeld und ich stellte mit Erschrecken fest, dass es schon viel später war, als ich angenommen hatte. Schon seit einer Woche schob ich täglich den längst fälligen Anruf an meine Mutter hinaus und heute Nachmittag wollte ich es endlich hinter mich bringen.
    »Tut mir leid, Süße«, entschuldigte ich mich bei Alex. »Ich muss jetzt gehen. Meine Mom wartet. Und weil der durchschnittliche IQ-Wert in diesem Raum seit fünf

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