Kirschroter Sommer (German Edition)
Gefühl, dass es besser war, noch nicht allzu viel von meinen Gedankengängen preiszugeben. Vielleicht sollte ich meine Antwort ins übertrieben Lächerliche ziehen, zum Beispiel: »Schnucki, bestell das Aufgebot, ich komme!«?
Nein, damit war ich nicht zufrieden. Ich legte mir die Hände auf den Bauch und überlegte weiter, bis ich schließlich nach einer langen Weile ein Ergebnis hervorbrachte, mit dem ich mich arrangieren konnte:
»Keine Angst, Luca, ich halte dich nicht für einen Psychopathen. Falls du allerdings bei deiner Meinung bleiben solltest, auch wenn du mich richtig kennst, überlege ich’s mir noch mal anders.«
Ich nickte beherzt, drehte mich auf die Seite und schloss die Augen.
KAPITEL 7
Drittes Bein
Unzufrieden schob sich Alex ein Stück Brötchen in den Mund und kaute darauf herum, als wäre es eine zähe Schuhsohle. »Mann, jetzt habe ich ihn schon seit einer Woche nicht mehr gesehen.«
»Es sind gerade mal fünf Tage, Alex«, seufzte ich. »Bestimmt wird er am Wochenende wieder bei Elyas vorbeischauen.« Ich sah sie über den Becherrand hinweg an und nippte von meinem Kaffee. Hatte ich schon erwähnt, dass ich Kaffee liebte? Nein, »lieben« war das falsche Wort – in Wahrheit war ich süchtig danach!
Alex und ich saßen in ihrer Wohnung und frühstückten ausgiebig an dem kleinen Esstisch. Da Alex beschlossen hatte, heute blau zu machen und ich meine erste Vorlesung erst gegen 13 Uhr hatte, taten wir das in aller Seelenruhe.
»Wieso fragst du nicht einfach Elyas, wann Sebastian wieder vorbeikommt?«
»Bist du verrückt?« Sie blickte mich an. »Dann denkt er am Ende noch, ich würde auf ihn stehen!«
»Was natürlich völlig abwegig wäre«, bemerkte ich und zog eine Augenbraue nach oben.
»Trotzdem«, murmelte sie. »Was, wenn Sebastian mich überhaupt nicht leiden kann? Dann käme ich mir vor wie die dumme kleine Schwester des besten Freundes, die sich in den Kumpel ihres Bruders verknallt hat.«
Sieh an, jetzt war es raus.
»Ich wusste es, du bist verknallt«, stellte ich trocken fest, woraufhin sie mich nach einer Ausrede suchend ansah, aber offensichtlich begriff, dass es dafür bereits zu spät war.
Schließlich rümpfte sie die Nase. »Na und? Ein bisschen vielleicht.«
»Na also, dann kannst du deinen Bruder ja auch fragen. Er wird bestimmt nicht gleich zu Sebastian rennen und es ihm brühwarm auf die Nase binden.«
»Mag sein«, seufzte sie und fixierte für eine Weile ihren Orangensaft. »Aber unabhängig davon«, sagte sie schließlich, »kann ich nicht einschätzen, was Elyas von meinem Interesse an Sebastian halten würde.«
»Der soll sich mal nicht so anstellen«, entgegnete ich und bestrich mein Brötchen mit Sauerkirsch-Marmelade. »Außerdem«, fügte ich hinzu und deutete mit dem Messer auf sie, »hat er dich bestimmt auch nicht um Erlaubnis gefragt, als er sich dazu entschieden hat, mir das Leben zur Hölle zu machen.«
»Stimmt«, nickte sie und speicherte dies wohl als mögliches Gegenargument ab. »Nichtsdestotrotz hast du leicht reden«, sagte sie und sah mich missgünstig an. »Du bekommst ja schließlich jeden Tag deine Mails von Mr. Lover Lover …«
Ich begann zu grinsen, weil Alex damit genau ins Schwarze getroffen hatte und ich unweigerlich an Lucas letzte Mail denken musste.
Doch leider war Glück etwas, das einem meistens nicht lange vergönnt war.
»Hast du ihn jetzt endlich nach einem Foto gefragt?«
»Na ja …« Ich lächelte aufgesetzt. »Nein?«
»Emely«, stöhnte sie und ließ das Messer sinken. »Warum stellst du dich nur so an?«
»Keine Ahnung«, seufzte ich und legte das Brötchen ohne davon abgebissen zu haben wieder auf den Teller. »So leicht ist das eben nicht. Und ehrlich gesagt ist es mir auch irgendwie egal, wie er aussieht – zumindest, solange er nicht ganz schrecklich ist.«
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht?«
»Doch, tue ich! Ist doch verdammt unrealistisch, dass er nicht nur schreibt wie ein Traummann, sondern auch noch aussieht wie einer. Demnach ist meine Erwartungshaltung nicht besonders hoch und mehr auf seine inneren Werte konzentriert. Und weil ich die bereits kenne, brauche ich ja eigentlich auch kein Foto, oder?«
Genau, und bald glaube ich es auch selbst …
»Emely, du schraubst schon wieder deine Ansprüche runter!« Sie kniff ihre Augen zusammen.
»Alex, seien wir doch mal realistisch«, sagte ich. »Wenn mir im Spiegel nicht Angelina Jolie entgegenblickt, dann brauche ich auch nicht auf
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