Kirschroter Sommer (German Edition)
schließlich. »Bin gleich wieder da«, sagte er an mich gewandt und entfernte sich in Richtung Toilette. Alex, der ich kontinuierlich vernichtende Blicke zuwarf, war nach wie vor in das Gespräch mit Sebastian vertieft, weswegen es auf unserer Seite des Tisches plötzlich unangenehm ruhig wurde.
»Beeindruckt dich so was?«, fragte Elyas nach einer Weile in die Stille.
Ich verschränkte reflexartig die Arme vor der Brust. »Was soll mich beeindrucken?«
»Dass er eine Band hat«, äffte er ihn nach.
»Du weißt doch, dass ich eigentlich nur nach einem Freund suche, mit dem ich vor meinen kleinen Freundinnen angeben kann«, äffte ich wiederum das nach, was er mir vor einigen Wochen unterstellt hatte.
Er schmunzelte. »Zugegeben, diesbezüglich hat sich meine Meinung ein bisschen geändert.«
»Glückwunsch«, murmelte ich schnippisch.
Als Domenic wenig später wiederkehrte, verwandelten sich die zwei Gruppengespräche allmählich in ein gemeinsames. Sebastian war wirklich nett. Er besaß eine so gelassene und besonnene Art, dass man sich unglaublich gern mit ihm unterhielt. Mit seinen Worten, mit seinen Gesten und der Art und Weise, wie er sich mitteilte, strahlte er etwas sehr Beruhigendes aus, das automatisch auf einen übergriff. Sebastian gehörte zu der Sorte Mensch, die es viel zu selten gab: Er war ein angenehmer, kluger und nicht von sich selbst eingenommener Zeitgenosse.
Wenn die Gelegenheit günstig war, beobachtete ich heimlich den Umgang zwischen ihm und Alex. Mehr als einmal hatte ich die beiden dabei erwischt, wie sie sich verstohlene Blicke zuwarfen, ohne dass der jeweils andere es mitbekam. Ich fand dieses Verhalten so niedlich, dass ich mich selbst hin und wieder bei einem dämlichen Grinsen ertappte.
Elyas und Domenic ignorierten sich weitestgehend, was definitiv von beiden Seiten ausging. Mein damaliger Verdacht im Club, dass die beiden sich nicht sonderlich grün waren, bestätigte sich. Ich wusste nicht, was es war, aber mit mir hatte es offenbar nichts zu tun. Irgendetwas schien zwischen den Zweien schon vor längerem vorgefallen zu sein. Und obwohl meine Neugierde geweckt worden war, traute ich mich bei keinem der beiden nachzufragen.
Elyas, der zwar Domenic aber leider nicht mich ignorierte, schaffte es mit der Zeit tatsächlich, mir meine leckere Erdbeer-Margarita zu vermiesen. Jedes Mal, wenn ich von dem dickflüssigen Getränk – das zum größten Teil aus frischen, pürierten Erdbeeren bestand – nippte, blieb er mit seinen Blicken geradezu an meinem Mund kleben. Ihm stand förmlich ins Gesicht geschrieben, wie er gedanklich über meine Lippen leckte, was mich jedes Mal rot anlaufen ließ und mich dazu brachte, das Getränk kaum noch anzurühren. Das, was er da mit seinen Augen tat, hatte die Grenze zum normalen Anschauen längst überschritten. Elyas sah mich nicht einfach nur an – Elyas blickfickte mich! Und ich sollte ihn verdammt noch mal anzeigen deswegen!
Als Sebastian von seinem Psychologiestudium zu erzählen begann und ich interessiert seinen Worten lauschte, vernahm ich auf einmal ein Rascheln, das sofort all meine Alarmglocken zum Schrillen brachte.
»Warst du einkaufen?«, hörte ich Elyas gerade noch sagen, als er auch schon die kleine weiße Plastiktüte anhob, die ich achtlos neben meinem Stuhl platziert hatte. Von einem inneren Impuls angetrieben, schnellte meine Hand augenblicklich nach vorne, nur um direkt ins Leere zu greifen. Elyas war schneller gewesen. Und nicht nur das, denn als er bemerkte, dass ich etwas gegen einen Blick in die Tüte einzuwenden hatte, flammte Neugierde in seinen Augen auf und ein vorwitziges Grinsen umspielte seine Lippen. Ich lehnte mich über seinen Schoß, um einen weiteren verzweifelten Versuch zu starten, an die verfluchte Tüte heran zu kommen. Doch Elyas nutzte die Länge seines Armes vollends aus und hielt sie nur noch weiter von mir fort, sodass ich keine Chance hatte, sie zu erreichen. Und während mir diese körperliche Nähe äußerst unbehaglich war, schien ich ihm im Gegenzug sogar noch eine Freude damit zu bereiten.
Ich richtete mich auf und ließ meine Hand in meinen Schoß fallen. »Bitte, Elyas, gib mir die Tüte zurück.«
Er tat für einen Moment so, als dachte er darüber nach, sagte aber schließlich »Nö.« Dann drehte er sich ein wenig ab und wandte mir den Rücken zu, um einen Blick in das weiße Plastik zu werfen. Weil er offenbar nicht genau ausmachen konnte, worum es sich bei dem Inhalt handelte,
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