Kirschroter Sommer (German Edition)
zehn Pferde hätten mich dazu gebracht, heute mit ihm allein zu sein.
Domenic bot sich ebenfalls an, doch weil es Unsinn gewesen wäre, sein Angebot nur deswegen anzunehmen, um Elyas eine reinzuwürgen, lehnte ich auch bei ihm ab.
Nachdem ich allen Anwesenden, Elyas ausgeschlossen, noch einen schönen Abend gewünscht hatte, lief ich zur Haltestelle.
Als ich nach fünfzehnminütiger Busfahrt in meiner Wohnung eintraf, stopfte ich zu allererst die Unterwäsche in die hinterste Nische meines Kleiderschranks. Danach stellte ich mich für eine ganze Weile unter die Dusche. Erst das penetrante Klopfen von Eva, die ebenfalls ins Bad wollte, schaffte es, mich von dort wieder zu vertreiben. Nur mit meinem Schlafshirt bekleidet öffnete ich ihr die Tür und wurde von einem ungeduldigen »Na endlich!«, empfangen. Ich machte ihr den Weg frei und begab mich gleich ins Bett.
Der peinliche Vorfall in der Bar zog immer noch seine Nachwirkungen mit sich. Wie hatte ich nur so einfältig sein und die Tüte außer Augen lassen können? Ich verstand es einfach nicht. Genau mit dem, was eingetreten war, hätte ich rechnen müssen. Das fiel definitiv auf das Konto für eigene Dummheit. »Ich hoffe, du bist dir im Klaren darüber, dass ich allein von der Vorstellung, du würdest diese Unterwäsche tragen, nie wieder ein Auge zumachen kann …«
Blöder, anzüglicher, dreister, mich terrorisierender … Argh!
Was versprach er sich nur von dem ganzen Mist? Oder anders gefragt: Was wollte er von mir? Ich war weder die Schönheit, als die er mich geheuchelterweise bezeichnet hatte, noch passte ich irgendwie anders in sein Beuteschema.
Also wieso? Hasste er mich? Oder ging es einfach nur darum, dass er keine Chancen hatte?
Weil ich auf diese Fragen partout keine Antwort fand und mich allein schon deswegen aufregte, dass ich überhaupt an ihn denken musste, schnappte ich mir die neu erworbene CD, legte sie ein und setzte mir die Kopfhörer auf. Und Mann, die Musik war nicht nur gut, sie war der absolute Hammer! Außerdem erreichte sie das, was ich nicht zu hoffen vermocht hatte: Elyas rückte in den Hintergrund und mein Kopf leerte sich zusehends. Nachdem ich die CD zum zweiten Mal durchgehört hatte, fühlte ich mich deutlich entspannter. Und so nahm ich die Kopfhörer ab und legte mich schlafen.
Doch noch ehe mich das Traumland vollends umgeben konnte, erweckte das Piepen meines Handys noch einmal meine halbe Aufmerksamkeit. Müde patschte meine Hand im Dunkeln nach dem Mobiltelefon und umfasste es schließlich auf dem Nachttisch. Eine SMS.
» Nicht rangehen «
Habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, wie sehr ich dich jede Nacht vermisse?
»Emely«
Geh duschen, Elyas.
»Nicht rangehen«
Träum was Süßes, mein Engel …
Seufzend legte ich das Handy wieder zurück und verdrehte ein letztes Mal an diesem Tag die Augen, bevor ich langsam eindöste. » Mein Engel …«
Blödmann.
KAPITEL 10
Scherben bringen Pech
Mein Blick schweifte durch den Hörsaal, während der Professor, in dessen Vorlesung ich mit vielen anderen Studenten saß, die Geschichte der französischen Literatur besprach. Der Hörsaal war mittelgroß und ganz gewöhnlich – je weiter man nach hinten kam, desto höher saß man. Ich hatte mich irgendwo in der Mitte niedergelassen und versuchte mich auf den Vortrag zu konzentrieren. Leider vergeblich. Andauernd drifteten meine Gedanken ab und immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich verträumt auf meinem Notizblock herumkritzelte. Schuld daran trug Lucas letzte Mail. Ich musste die ganze Zeit überlegen, was ich ihm antworten sollte.
Liebe Emely,
nein, leider bin auch ich noch nicht viel in der Welt herumgekommen. Ich war vor einigen Jahren für eine Weile im Ausland, allerdings mehr um zu lernen, als des Spaßes wegen. Ich teile mit dir im höchsten Maße den Wunsch, die ganze Erde zu bereisen. Aber im Gegensatz zu dir liegt es bei mir nicht nur am Geldmangel. Vielmehr fehlt mir die richtige Begleitung.
In der Vergangenheit bin ich des Öfteren mit Freunden durch Deutschland oder die umliegenden Nachbarländer getourt. Darunter waren jedoch nur zwei richtige Urlaube, die anderen konnte man eher als Ausflüge oder vielleicht gerade noch als Kurztrips bezeichnen.
Ich habe zwar durchaus gute Erinnerungen daran zurück behalten, aber wie soll ich sagen … Mit Freunden hat man Spaß und macht Blödsinn, der Ort, an dem man sich befindet, ist dabei eigentlich relativ egal. Vom Wetter und der Landschaft
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