Kishons beste Familiengeschichten.
ersten Schluck. »Was ist das für ein abscheuliches Gesöff? Brrr!«
»Reingefallen, reingefallen!« jauchzte Amir, tat einen Luftsprung und konnte sich vor Freude nicht fassen. Es war ein wenig peinlich – aber, um seine Mutter zu zitieren: »Hauptsache, daß er seinen Kakao trinkt.«
Am nächsten Tag war’s die gleiche Geschichte: Opa brachte mir einen Becher Leitungswasser, Amir hat nichts getrunken, was glaubt der Kerl, herrlicher Kakao, pfui Teufel, brrr, reingefallen, reingefallen. Und von da an wiederholte sich die Prozedur Tag für Tag.
Nach einiger Zeit funktionierte sie sogar ohne Großpapa. Amirs Entwicklung macht eben Fortschritte. Jetzt kommt er schon selbst mit dem Leitungswasserbecher, unerhört, herrlicher Kakao, pfui Teufel, reingefallen, Luftsprung…
Mit der Zeit begann ich mir Sorgen zu machen:
»Liebling«, fragte ich meine Frau, »ist unser Kind vielleicht dumm?«
Es war mir nämlich nicht ganz klar, was sich in seinem Kopf abspielte. Vergaß er jeden Abend, was am Abend zuvor geschehen war? Hielt er mich für schwachsinnig, daß ich seit Monaten demselben Trick aufsaß?
Die beste Ehefrau von allen fand wie immer die richtigen Trostworte: was der Kleine denkt, ist unwichtig, wichtig ist, was er trinkt.
Es mochte ungefähr Mitte Oktober sein, als ich – vielleicht aus purer Zerstreutheit, vielleicht aus unterschwelligem Protest – die üble Flüssigkeit ohne jedes »unerhört «, und »brrr« direkt in die Toilette schüttete.
Das sehen und in Tränen ausbrechen, war für Amir eins:
»Pfui, Papi«, schluchzte er. »Du hast ja nicht einmal gekostet.«
Jetzt war es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei:
»Ich brauche nicht zu kosten«, herrschte ich meinen Nachkommen an. »Jeder Trottel kann sehen, daß es nur Wasser ist.«
Ein durchdringender Blick Amirs war die Folge:
»Lügner«, sagte er leise. »Warum hast du dann bisher immer gekostet?«
Das war die Entlarvung. Amir wußte, daß wir Abend für Abend ein idiotisches Spiel veranstalteten. Wahrscheinlich hatte er’s von allem Anfang an gewußt.
Unter diesen Umständen bestand keine Notwendigkeit mehr, die lächerliche Prozedur fortzusetzen.
»Doch«, widersprach die beste Ehefrau von allen. »Es macht ihm Spaß. Hauptsache, daß er…«
Im November führte Amir eine kleine Textänderung ein. Wenn ich ihn bei Überreichung des Bechers fragte, warum er seinen Kakao nicht getrunken hätte, antwortete er:
»Ich habe nicht getrunken, weil das kein Kakao ist, sondern Leitungswasser.«
Eine weitere Erschwerung trat im Dezember auf, als Amir sich angewöhnte, die Flüssigkeit vor der Kostprobe mit dem Finger umzurühren. Die Zeremonie widerte mich immer heftiger an. Schon am Nachmittag wurde mir übel, wenn ich mir vorstellte, wie das kleine, rothaarige Ungeheuer am Abend mit dem Leitungswasser angerückt kommen würde. Alle anderen Kinder trinken Kakao, weil Kinder eben Kakao trinken. Nur mein eigenes Kind ist mißraten…
Gegen Ende des Jahres geschah etwas Rätselhaftes. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren war: an jenem Abend nahm ich aus meines Sohnes Hand den Becher entgegen – und statt den ekligen Sud in weitem Bogen auszuspucken, trank ich ihn bis zur Neige. Ich erstickte beinahe, aber ich trank.
Amir stand entgeistert daneben. Als die Schrecksekunden vorüber waren, schaltete er höchste Lautstärke ein:
»Wieso?« schrillte er. »Warum trinkst du das?«
»Was heißt da Warum und Wieso?« gab ich zurück. »Hast du mir nicht gesagt, daß du heute keinen Tropfen Kakao getrunken hast? Und hab’ ich dir nicht gesagt, daß ich den Kakao dann selbst trinken werde? Also?«
In Amirs Augen funkelte unverkennbarer Vaterhaß. Er wandte sich ab, ging zu Bett und weinte die ganze Nacht.
Es wäre wirklich besser gewesen, die Komödie vom Spielplan abzusetzen. Aber davon wollte meine Frau nichts wissen:
»Hauptsache«, erklärte sie, »daß er seinen Kakao trinkt.«
So vollzog sich denn das Kakao-Spiel erbarmungslos Abend für Abend, immer zwischen sieben und halb acht…
Als Amir älter geworden war, ergab sich eine kleine Zeitverschiebung. Wir hatten ihm erlaubt, an seinem Geburtstag ein paar seiner Freunde einzuladen, mit denen er sich unter Mitnahme des Bechers ins Kinderzimmer zurückzog. Gegen acht Uhr wurde ich ungeduldig und wollte ihn zwecks Abwicklung des Rituals herausrufen. Als ich mich der Türe näherte, hörte ich ihn sagen:
»Jetzt muß ich ins Badezimmer gehen und lauwarmes Wasser
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