Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
imstande war, sich tagsüber draußen zu bewegen, ließ all meine sorgfältig konstruierten Erklärungen und Überzeugungen wie Seifenblasen zerplatzen. Sich überhaupt einzugestehen, dass die Blutsauger existierten, war schon schlimm genug gewesen, aber zu begreifen, dass Sicherheit eine noch größere Illusion darstellte, als ich ohnehin schon dachte, war furchteinflößend. Ein Teil von mir sehnte die unschuldigen Tage zurück, bevor ich in den Graben zwischen den Welten gestürzt war.
»Doc?« Maxie tippte mir auf den Arm. »Jemand zu Hause?«
Ich sah sie mit großen Augen an. Was zur Hölle war mit mir los? Schön, ich neigte dazu, weit abzuschweifen, aber eigentlich nicht, wenn ich mit jemandem beisammensaß. Ich hatte hart gearbeitet, um zu lernen, stets bei der Sache zu bleiben, vor allem in Klientengesprächen. Wie es aussah, brauchte ich dringend mehr Kaffee.
»Entschuldigung! Ich wollte nicht abdriften. Zu wenig Schlaf, vermute ich.« Ich tupfte mir die Mundwinkel mit der Papierserviette ab. »Und ja, du hast recht: Das mit deinem Haar interessiert mich brennend. Du musst zugeben, dass es ungewöhnlich ist. Wann ist es so weiß geworden?«
Ich drängte alle Vampirgedanken beiseite, lehnte mich zurück und war froh, eine Unterhaltung zu führen, bei der ich weder Rat geben noch eine Meinung äußern musste.
Mehrere Sekunden lang musterte Maxie mich mit hochgezogener Braue, dann raffte sie ihre dichte Mähne zusammen und hielt sie mit beiden Händen. »Als ich zwanzig war, passierte mir etwas Erstaunliches. Mein Haar veränderte sich über Nacht von Blond in Weiß. Eines Morgens wachte ich auf und hatte Greisinnenhaar. Ich kann dir sagen, die anderen Mädchen in meinem College-Wohnheim waren platt – und meine Familie erst!«
Hmm. Sie glaubt, dass ihr Haar über Nacht weiß geworden ist. Interessant! Ich frage mich, was da wirklich geschah.
»Wie kannst du von Greisinnenhaar reden? Dein Haar ist phantastisch!« Ich betrachtete ihr Gesicht und schätzte, dass sie Ende zwanzig oder Anfang dreißig sein musste. »Du sagtest, es wäre etwas Erstaunliches passiert. Erstaunlich gut oder erstaunlich nicht-so-gut?«
Okay. Ich wollte nicht interviewt werden, konnte jedoch nicht umhin, den Spieß umzudrehen. Einmal Therapeutin, immer Therapeutin. »Heb den Stein hoch und guck, was darunterliegt!«, war schon immer mein Motto. Im Smalltalk hingegen war ich noch nie gut.
Maxie sah für einen Moment in die Ferne, ehe sie sich mit ernster Miene zurück an mich wandte. »Erstaunlich gut. Vielleicht erzähle ich dir davon, wenn wir uns besser kennen.«
Aha! Geheimnisse. Wusste sie, dass solche zwischenmenschlichen Köder wie ein rotes Tuch vor einem Bullen wirkten? Ich wollte mir gerade einen Schleichweg durch ihre seelische Seitentür suchen, als Maxie ihren Stuhl näher an den Tisch rückte.
»Glaubst du also, dass es Vampire gibt?«, fragte sie mit einem verschlagenen Grinsen. »Ganz inoffiziell natürlich.«
So viel zu schnellen Themenwechseln! Wahrscheinlich gab Maxie eine erstklassige Reporterin ab, und ihre Taktik entlockte mir ein anerkennendes Lächeln. Trotzdem wollte ich auf keinen Fall über Vampire sprechen. In meinem Kopf arbeiteten die Zahnrädchen auf Hochtouren, stoben mentalen Staub auf und suchten nach etwas Unverfänglichem. Ich bin sicher, dass Maxie mir meine Anstrengung ansah, denn ich merkte ja sogar, wie sich diverse Emotionen auf meinen Zügen spiegelten.
Anscheinend zögerte ich lange genug, dass Maxie von sich aus auf die Idee kam, es mit etwas anderem zu versuchen. »Okay, ich fange an. Kein Interview, ehrlich! Eine schlichte Unterhaltung. Wir sind bloß zwei durchschnittliche berufstätige Frauen, die über ihren Alltag plaudern. Zwei normale Studierte, die sich über Alienentführungen, Vampire, Werwölfe, Reinkarnation, dämonische Besessenheit und anderes Alltägliches unterhalten. Stinknormales Wald- und Wiesengequatsche eben.« Sie redete immer schneller und lauter.
»Ich schreibe seit fünf Jahren für diese Illustrierte, und ich habe so ziemlich jede abgedrehte Geschichte gehört, die man sich vorstellen kann. Manche davon könnten sogar dich noch schockieren. Aber in der ganzen Zeit, in der ich jeder noch so bizarren Behauptung nachging, bin ich niemals über irgendetwas gestolpert, das auch bloß entfernt paranormal war. Keine echten Vampire. Keine Werwölfe. Keine Aliens. Keine Dämonen. Bloß ein Haufen kranker, schräger, verkorkster Typen, die auf Aufmerksamkeit aus
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