Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
natürlich alles totaler Blödsinn, schrille Schreie nach Aufmerksamkeit von den Irren und Abgedrehten, die sich in meinem journalistischen Universum tummeln.«
»Und du gehst für deine Illustrierte dahin?«
»Ja. Ich muss zugeben, dass die Kostüme und die falschen Monster manchmal den Eintritt lohnen. Ich weiß, deine Berufung ist, den hoffnungslos Verwirrten zu helfen, aber in meinem Job besitzen die Geisteskranken nun mal einen hohen Unterhaltungswert. Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, einen weiteren Auswuchs der Möchtegernvampirwelle zu sehen. Sollte eine Vampirpsychologin ihre Klientel nicht so gut wie möglich verstehen? Wer weiß? Ein paar von diesen Figuren landen womöglich auf deiner Couch.«
Wenn sie gewusst hätte, wie überlastet meine Couch jetzt schon war und wer – oder was – dort bereits regelmäßig saß, hätte Maxie sich von einer Minute zur anderen im Boulevardpressehimmel wiedergefunden. Aber auch wenn ich sehr gern ein paar neue Freunde gefunden hätte, überkam mich das ungute Gefühl, dass Maxies Vorstellung von Spaß ein bisschen weiter über dem Abgrund baumelte als meine.
Dennoch hatte sie recht. Vielleicht schadete es nicht, wenn ich die wirren Schichten der Vampirgemeinde erkundete, Möchtegern oder nicht. Ich konnte ja nicht nur in meiner Praxis hocken und warten, dass die verlorenen Seelen zu mir kamen. Schließlich hatte ich nach wie vor ein Buch zu schreiben. Und ich wollte meinen akademischen Pflichten nicht vollends zuwiderhandeln, indem ich auf diesen Teil der Feldforschung verzichtete. Schließlich würde sich ein Kapitel über eine vermeintliche Pfählung ganz gut machen und ich überdies meine Muse stärken.
Oder auch nicht.
Bedachte ich es genauer, brummte mir schon bei dem Gedanken, mit einer Reporterin zu einer Vampirveranstaltung zu gehen, der Schädel. Ich wusste, dass ich Ärger provozierte, und dazu hätte es nicht einmal meinen blinkenden Radar gebraucht.
Nein, ich muss heute Abend unbedingt zu Hause bleiben und mir die Haare waschen.
Ich wollte schon absagen, als wir von einem kleinen frettchengesichtigen Kahlkopf unterbrochen wurden, der in den Coffeeshop
gelaufen war und geradewegs unseren Tisch ansteuerte.
»Hey, Maxie, der Boss will dich sprechen, pronto! Redaktionsschluss, du weißt schon. Zack, zack!«
Bei den letzten beiden Silben machte er bereits kehrt und verschwand genauso schnell wieder, wie er gekommen war.
»Ja, danke, Dave!«, rief Maxie ihm nach.
»Woher wusste er, dass du hier bist?«, fragte ich.
»Weil ich mich so oft wie möglich hier verstecke.«
»Und wieso rufen sie dich nicht einfach an?« Ich hatte zwar kein Handy gesehen, aber sie hätte eines in ihrer Tasche haben können.
»Was nützt es, mich wegzuschleichen, wenn ich mein Handy mitnehme? Das macht das Verstecken doch irgendwie sinnlos, oder?« Sie seufzte übertrieben und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Nasenspitze. »Dann begebe ich mich mal wieder in die Tretmühle. Wir sehen uns heute Abend.« Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sie sich, schmunzelte mir zu und tänzelte elegant zum Ausgang.
»Maxie, warte!« Ich sprang auf. »Ich will nicht zu einer Pfählung gehen!«
Im ganzen Raum wurde es totenstill.
Ich hörte Maxie lachen, als sie die Tür erreichte. Sie winkte mir zu und rief: »Jetzt wird nicht mehr gekniffen, Doc! Ich spreche dir die Adresse auf Band. Bis heute Abend um zehn! Ich freu’ mich schon.« Ihre letzten Worte wurden von der zufallenden Tür abgehackt.
»Verdammter Mist!« Ich knallte meine Hand auf den Tisch, so dass einer der Teelöffel klappernd auf dem Boden landete. Das Geräusch hallte durch das stumme Café.
Meine Überreaktion war mir sofort peinlich. Ich setzte mich wieder, verschränkte die Arme vor meiner Brust und sah mich unter den erstaunten Gästen um. Als hätte jemand eine kosmische
Pause
-Taste gedrückt. Alle im Raum schienen wie eingefroren und starrten mich an. Vielleicht warteten sie ab, ob ich einen weiteren Temperamentsausbruch zu bieten hätte. Zu schade, dass ich weder meinen Kopf einmal vollständig herumdrehen noch von meinem Stuhl abheben konnte!
Doch was mich betraf, war die Show vorbei. Hier gab es nichts mehr zu sehen.
Ein paar Sekunden hielt die Stille an, und dann, als hätte jemand einen unsichtbaren Schalter umgelegt, pendelte sich der Lärmpegel wieder auf das normale, kontrollierte Chaos ein.
Ich nahm meinen halbvollen Becher in die Hand und trank einen kräftigen Schluck, ehe ich
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