Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
unhöflich auf diese arktische Lawine, die ihr über den Körper floss, und überlegte, welcher genetische Ausrutscher dieser sichtlich sehr jungen Frau solch schlohweißes Haar beschert haben mochte. Nach ein paar Sekunden meldete meine Kinderstube sich zurück, und ich nickte entschuldigend.
Sie lachte warm und glockenhell und ließ meine Hand los. »Ja, ja, schon gut! Jeder reagiert so. Ich bin die Schneekönigin, auch bekannt unter dem Namen Maxie Westhaven, und man bedenke, dass Maxie die Kurzform von Maxwell ist. Meine Eltern hatten sich dringend einen Jungen gewünscht.« Wieder lachte sie und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Was meinen Sie, ob sie enttäuscht waren?«
Ich musste mit ihr lachen und war erfreut, festzustellen, dass in ihrem Victoria’s-Secret-Körper ein wundervoller Sinn für Humor steckte. Obgleich sie sich sichtlich bemühte, ihre Kurven zu kaschieren, ließen diese sich nicht einmal unter einem Denver-Broncos-Shirt und weiten Jeans verbergen. »Sehr angenehm. Ich bin Kismet …«
»Ja, ich weiß, wer Sie sind. Ich habe Ihr Bild vor ein paar Monaten in der Zeitung gesehen, als Sie knietief in diesem ganzen Vampirschlamassel steckten. Damals habe ich sogar versucht, ein Interview mit Ihnen zu bekommen. Und eben habe ich Sie im Radio gehört. Ach, übrigens, ich bin Reporterin beim
National Skeptic
. Haben Sie zufällig von uns gehört?«
Mein Lächeln erstarb.
Bedauerlicherweise hatte ich von diesem Schundblatt gehört – wie auch jeder andere, der manchmal in einen Supermarkt oder in ein Waschcenter ging. Niemand konnte die Ausgaben verpassen, auf deren Titeln absurde Photomontagen prangten. Es gab angeblich zweiköpfige Aliens zu bestaunen oder Artikel über Exorzismus als einzig wahrem Mittel gegen Depressionen – einem weit besseren als der Besuch beim Therapeuten, versteht sich.
Die Zeitschrift war schizophren, so wie die Artikel für lächerliche »Heilmethoden« und »Heiler« warben, während sie vermeintliche Fälscher, Scharlatane und New-Age-Gurus zu entlarven vorgaben.
Enttäuscht, weil Maxie mir auf Anhieb sympathisch gewesen war, umgab ich mich mit meiner professionellen Aura und ermahnte mich im Geiste, ja vorsichtig mit den Medien zu sein. Ich wollte schließlich nichts tun, was meine Vampir- oder Möchtegernvampirklienten in Gefahr brachte. Ganz zu schweigen von einem gewissen Meistervampir, der meine Hirnströme durcheinanderbrachte und meine Libido jedes Mal in astronomische Höhen katapultierte, wenn er in meinem Zimmer auftauchte.
»Ja, habe ich«, antwortete ich mit meiner formellen Therapeutenstimme.
Maxie entging nicht, dass ich meine Haltung änderte und mich von ihr distanzierte. »Hmm. Wie ich sehe, erfüllt mein Job Ihr Herz nicht direkt mit Freude. Aber ich kann Sie beruhigen, denn ich will Sie nicht um ein Interview bitten. Ich möchte Sie lediglich kennenlernen, weil ich Sie interessant finde. Womöglich stellen wir fest, dass wir einiges gemeinsam haben. Sie verbringen sicher eine Menge Zeit damit, verwirrte Leute davon zu überzeugen, dass sie in Wirklichkeit gar nicht so tun wollen, als wären sie Vampire, und ich verbringe genauso viel Zeit damit, diejenigen ausfindig zu machen, denen Sie diesen Quatsch nicht ausreden konnten. Sehen Sie?«, schloss sie achselzuckend und warf sich eine dicke Handvoll von ihrem langen weißen Haar über die Schulter. »Wir stehen auf derselben Seite. Und ich wette, dass meine Beschreibung des Kretins – ich meine Carson – ebenfalls bei Ihnen ins Schwarze getroffen hat.«
Unweigerlich musste ich schmunzeln. Ich glaubte ihr selbstverständlich nicht, dass sie kein Interview mit mir wollte. Meine Intuition ließ sämtliche Alarmglocken schrillen, um mich zu warnen, damit ich ja nicht übersah, dass die Reporterin mit dem schlohweißen Haar log. Ich wusste, dass sie definitiv etwas wollte, und nun wurde ich neugierig. Falls sie wirklich nur auf eine Story aus war, würde sie diese von mir nicht bekommen. Gegenüber Presseleuten beherrschte ich es mittlerweile, geschickt auszuweichen. Dennoch nahm ich keine negativen Schwingungen bei Maxie wahr. Vielmehr wirkte sie auf mich vollkommen offen und unkompliziert. Gewiss schadete es nicht, mich nicht ganz so reserviert zu geben. Wahrscheinlich nicht. Vielleicht. Schließlich bemühte ich mich in jüngster Zeit, etwas mehr menschliche Freunde zu gewinnen, um ein Gegengewicht zu den anderen zu haben. Und wie sollte ich das anstellen, wenn ich jedem, der sich
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