Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
übergeben müsste, deshalb neigte ich meinen Kopf zwischen meine Knie und versuchte, zu atmen. Dann hörte ich, wie etwas mit einem quatschenden Plumps auf dem Boden landete und das grausame Monstrum lachte. Vorsichtig sah ich hin, als Jeromes Kopf gegen meine Schuhspitzen rollte. Ich stöhnte.
»Ich vergesse immer wieder, was für Weicheier Menschen sind. Eine unerwartete Enthauptung, und ihr greift schon nach den Kotztüten! Gehen wir an die frische Luft! Ich ziehe dein natürliches, süßes Aroma vor.«
Er lüpfte mich aus dem Sessel, hob meinen schlaffen, von Übelkeit geplagten Körper in seine Arme und transportierte uns zum Dachgarten hinauf. Wie alles andere in Devereux’ Gebäude war auch die Dachterrasse wunderschön und zweckdienlich zugleich. Bewegungsmelder schalteten die Lichter ein, die alles erhellten, was eigentlich nicht nötig war, denn der Mond stand an einem klaren Himmel, und es war erst wenige Tage nach Vollmond.
Ich hatte meinen Mund geöffnet, um Hallow aufzufordern, dass er mich herunterließ, als er schon genau das tat. Meine Füße fanden den Boden, und ich versuchte, aufrecht zu bleiben, während ich das blutige Monster ansah, das sich vor mich stellte.
»Blut steht dir, Kismet«, stellte er grinsend fest. »Es betont das Blau deiner Augen und den Elfenbeinton deiner Haut sehr schön. Dein hübsches Kleid ist natürlich ruiniert.« Seine silbernen Augen blitzten. »Ich hoffe, dass es für dich keine besondere Bedeutung hatte.« Mit einer Hand strich er über den ruinierten Seidenstoff auf meiner Brust.
Ich musste keinen intellektuellen Salto vollführen, um zu begreifen, dass Hallow sehr wohl wusste, von wem ich dieses Kleid geschenkt bekommen hatte. Angewidert wich ich seiner Berührung aus, indem ich einen Schritt zurücksprang. »Hände weg von mir, du Schwein!«, krächzte ich, weil meine Angst mir die Kehle zuschnürte. Noch dazu klang meine Stimme dünn und hoch. Hallows Energie erstickte mich.
Sein Grinsen wurde breiter. Er griff nach meinem Oberarm und riss mich näher. »Ich glaube nicht, dass ich das tue. So viel Spaß mir dein wacher Verstand auch macht – und du weißt, dass ich mich darauf freue, deine Fähigkeiten zu erkunden –, ist es wohl an der Zeit, zur nächsten Stufe meines Plans voranzuschreiten.«
Vergebens bemühte ich mich, meinen Arm aus seiner Umklammerung zu befreien. »Du erkundest gar nichts an mir, du durchgeknallter Psychopath! Ich mache bei deinen kranken Plänen nicht mit. Du bist ja ein völlig irres, halluzinierendes Monster!«
Er machte große Augen und schüttelte ungläubig-ahnungslos den Kopf. »Ist das der Dank, den ich dafür bekomme, dass ich diesen enervierenden Jungen davon abhielt, dir die Kehle aufzureißen? Beschimpfungen? Meine gute Frau Doktor, ich hätte weit mehr Dankbarkeit und Unterwürfigkeit erwartet! Ach, was soll’s? Ich bekomme wohl nur, was ich verdiene.« Er schätzte mich mit seinem Blick ab. »Du wirst mir eine zauberhafte
Lýtle
«, verkündete er und beugte sich zu mir, »vielleicht sogar mehr.«
Ich wehrte mich weiter, doch seine Finger waren wie Stahl. Der Wahnsinnige starrte mich mit seinen kalten Silberaugen an, und ich merkte, wie mein Bewusstsein in Scherben zerfiel. Seine hypnotischen Augen fesselten meine, zogen mich wie Magneten in seine dunkle Aura. Meine Knie knickten ein, so dass mich nur seine Hand an meinem Arm vor dem Fall bewahrte. Ein Teil von mir blieb sich der Tatsache bewusst, dass ich auf dem Dach von Devereux’ Haus stand, gefangen von einem Mörder. Ein anderer hingegen – der mit den harten Nippeln und dem feuchten Schritt – tauchte bereitwillig in die quecksilbrige Verlockung seines Blicks ein und war unfähig, sich auf etwas anderes als das Sehnen zu konzentrieren, seine Hände auf sich zu fühlen. Ich war klar genug, um zu begreifen, in welcher Gefahr ich mich befand, nur leider außerstande – oder nicht gewillt –, mich abzuwenden.
Er hielt mich fest an sich gedrückt, packte mit seiner freien Hand mein Haar und bog meinen Kopf nach hinten, so dass mein Hals freilag. Der Blutgeruch überlagerte alles.
»Bald wird dein einziger Sinn darin bestehen, mir zu dienen. Du wirst es willentlich tun, mich mehr begehren als das Leben«, flüsterte er an meinem Ohr, und die Worte jagten mir Wonneschauer durch den Körper.
Fast schmerzlich erregt stöhnte ich und gab alles dran, was ich noch an Kraft besitzen mochte. Mein noch funktionsfähiger Hirnteil schrie: »Nein! Ich will
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