Kiss and kill: Thriller (German Edition)
das sie eingegangen war, um Griff einen richtigen Hinweis zu geben. Was sie ihm sagen konnte, war nicht sonderlich genau gewesen, doch immerhin engte es den Bereich etwas ein, in dem sie nach ihr suchen sollten. Wenn sie selbst wüsste, wo sie war, in welchem Bundesstaat auch nur, hätte sie Griff den entgegengerufen, aber sie wusste es nicht. Die Worte »Louisianamoos« und »Vorkriegshaus« führten ihn nicht direkt zu ihr, aber wenigstens gaben sie seiner Agentur und dem FBI eine ungefähre Vorstellung, wo sie suchen sollten. Und dass sie nach ihr suchten, stand außer Frage.
Er zerrte sie übers offene Feld, auf dem wohl einst Baumwolle oder Zuckerrohr angebaut wurde, bis zu einer riesigen Eiche auf der anderen Seite. In der Nähe war ein halb zugewachsener Feldweg. Zwei wettergegerbte Taue, die ehedem zu einer Kinderschaukel gehört haben mussten, baumelten von einem dicken Ast herab. Er schubste Nic unsanft gegen den Baumstamm.
Sie rang nach Atem.
»Rühr dich nicht!«, befahl er und klopfte an das Gewehr, das er über der Schulter trug.
Sie stand stocksteif da und wartete auf das, was jetzt kommen würde.
Er holte ein Messer aus seiner Tasche, langte so weit nach oben, wie er konnte, und schnitt eines der Taue ab. Nachdem er die Enden doppelt verknotet hatte, packte er Nic bei der Schulter, drehte sie herum und presste sie mit der Brust gegen den Baum.
»Wenn du bleibst, wo du bist, und deine Strafe hinnimmst, werde ich nicht auf dich schießen.«
Schießen? Aber heute war erst der zehnte Tag, oder nicht? Würde er gegen seinen eigenen Zeitplan verstoßen und sie vorzeitig umbringen?
Als könnte er ihre Gedanken lesen, sagte er: »Ich würde nicht schießen, um dich zu töten, dich nur verletzen. Vielleicht ein paar Zehen wegschießen.«
Sie schloss die Augen und wartete. Und betete. Ihr Instinkt verlangte, dass sie sich wehrte, dass sie nicht dastand und auf ihre Bestrafung wartete wie ein geschundener Hund.
Aber wenn sie es tat, würde er auf sie schießen. Eine Wunde konnte sich infizieren, und mit einem verstümmelten Fuß könnte sie während der täglichen Jagd nicht mehr so schnell vor ihm weglaufen. Sollte sich jedoch eine Chance zur Flucht ergeben, musste sie imstande sein, sie zu nutzen. Flucht war ihr einziger Gedanke, als das Seil auf ihren Rücken knallte, wo das schmutzige, zerschlissene T-Shirt wenig Schutz bot. Sie biss die Zähne zusammen und hielt so lange aus, wie sie konnte, ohne zu schreien. Beim zehnten Hieb durchschnitt das Seil ihr Hemd und traf auf nackte Haut. Beim fünfzehnten strömten ihr Tränen übers Gesicht. Beim zwanzigsten stöhnte sie vor Schmerz.
Griff rief Doug Trotter an, um ihm von dem Telefonat zu erzählen. Dann wies er Sanders an, die Informationen an sämtliche Powell-Agenten weiterzugeben. Sie sollten die Suchbereiche entsprechend eingrenzen.
Er versuchte, die Schläge und Nics Stöhnen aus seinem Kopf zu verbannen, aber er hörte sie wieder und wieder. Und wenn er den Rest seines Lebens dafür opfern musste, er würde den kranken Bastard finden und umbringen. Ganz langsam. Gnadenlos. Er würde ihn genauso quälen, wie er so viele andere gequält hatte.
Als Griff durch die Hintertür ins Haus zurückging, kam Yvette ihm entgegen. Anscheinend hatte sie nach ihm gesucht.
»Nicoles Bruder ist gerade angekommen«, sagte sie.
Griff nickte.
»Willst du jetzt mit ihm reden oder …«
»Ja, natürlich.« Als Yvette die Hand ausstreckte, um sie ihm tröstend auf die Schulter zu legen, wich er zurück.
Sie sah ihn fragend an, bevor sie ihn von oben bis unten musterte. Ihr Blick verharrte auf seiner rechten Hand.
»Du hast dich verletzt.«
»Das ist nichts. Mir geht es gut.« Doch sobald er die Hand ballte, verzog er schmerzhaft das Gesicht.
Yvette ignorierte seine Beteuerung, dass es nichts wäre, und nahm seine Hand. »Lass mich mal sehen. Ich verspreche auch, dass ich nicht in deine Gedanken eindringe.«
Er öffnete die Hand und lockerte die Spannung in seinem Arm. Yvette inspizierte die Fingerknöchel, an denen das Blut größtenteils schon eingetrocknet war.
»Das muss gereinigt und desinfiziert werden«, sagte sie.
»Außerdem müssen die Splitter rausgezogen werden.« Sie sah wieder zu ihm auf. »Was hast du gemacht? Die Faust in ein Brett gerammt?«
»In die alte Bootshaustür«, gestand er.
Sie ließ seine Hand los und strich ihm sanft über die Wange.
Worte bedurfte es keiner, denn er wusste auch so, wie sehr Yvette mit ihm fühlte. Er
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