Kissed by an Angel
was ich auftreiben kann«, schnauzte Tristan ihn an.
»Okay«, antwortete der Junge kleinlaut.
Tristan seufzte. »Nimm’s mir nicht übel. Ich hab schlechte Laune.«
»Ich nehm’s dir nicht übel«, versicherte ihm der Junge leise.
»Schau mal«, sagte Tristan. »Es ist nur noch ein Kellner da und jede Menge Essen. Kommst du mit? Gut! Und weg ist er. Plünderer, macht euch bereit, fertig, los -«
»Wo ist Philip?«, fragte Ivy.
Mitten während des Hochzeitsessens merkte sie, dass ihr Bruder nicht auf seinem Stuhl saß. »Habt ihr Philip gesehen?«, fragte sie und stand auf.
Gregory zog sie wieder auf den Stuhl. »Mach dir keine Sorgen, Ivy. Wahrscheinlich treibt er sich irgendwo rum.«
»Aber er hat den ganzen Tag noch nichts gegessen«, erwiderte Ivy.
»Dann ist er in der Küche«, antwortete Gregory einfach.
Ivy seufzte. Gregory verstand nicht, worum es ging. Ihr kleiner Bruder drohte seit Wochen damit, wegzulaufen. Sie hatte ihm immer wieder versucht zu erklären, wie alles ablaufen würde und wie nett es in dem großen Haus mit dem Tennisplatz und dem Blick auf den Fluss wäre, und wie toll, Gregory als großen Bruder zu haben. Philip kaufte ihr kein Wort davon ab und Ivy konnte es nur zu gut verstehen.
Sie schob ihren Stuhl so schnell zurück, dass Gregory sie nicht aufhalten konnte, und eilte in die Küche.
»Hau rein«, meinte Tristan. Auf dem Karton zwischen dem Jungen und ihm türmte sich ein Berg Essen - verkohltes Filet Mignon, Shrimps, alle möglichen Gemüse, Salat und dick mit Butter bestrichene Brötchen.
»Das schmeckt ziemlich gut«, meinte der Junge genüsslich schmatzend.
»Ziemlich gut? Das ist ein Festessen«, verbesserte ihn Tristan. »Iss auf! Wir brauchen all unsere Kraft, um auch noch den Nachtisch zu besiegen.«
Er bemerkte den Anflug eines Lächelns, dann war es auch schon wieder weg.
»Mit wem hast du denn Ärger?«, wollte der Junge nun wissen.
Tristan kaute einen Moment. »Mit dem Caterer, Monsieur Pompideau. Ich hab für ihn gearbeitet und ein bisschen rumgekleckert und die Hosen von ein paar Leuten nass gemacht.«
Der Junge lächelte, dieses Mal war es ein breiteres Lächeln. »Hat Mr Lever was abgekriegt?«
»Hätte ich auf ihn zielen sollen?«, fragte Tristan.
Der Kleine nickte, seine Miene erhellte sich bei dem Gedanken sichtlich.
»Jedenfalls hat mir Pompideau erklärt, ich solle mich an Dinge halten, die man nicht verschütten kann. Stell dir das vor.«
»Weißt du, was ich ihm gesagt hätte?«, sagte der Kleine. Seine Stirn war nicht mehr gerunzelt. Er schaufelte Essen in sich hinein und redete mit vollem Mund. Er wirkte hundertmal glücklicher als noch vor einer Viertelstunde.
»Was denn?«
»Ich hätte gesagt: Steck’s dir ins Ohr!«
»Klasse Idee!«, sagte Tristan. Er nahm ein Stück Sellerie. »Steck’s dir ins Ohr, Pompideau.«
Das Kind lachte laut auf und Tristan steckte sich die Selleriestange ins Ohr.
»Steck’s dir ins Ohr, Pompideau!«, verlangte der Junge kichernd.
Tristan schnappte sich ein weiteres Stück Sellerie.
»Steck’s dir in die Haare, schubidubidu!«, krähte der Junge und war hin und weg von dem Spiel.
Tristan nahm eine Handvoll Salatblätter und packte sie sich auf den Kopf.
Zu spät merkte er, dass das Grünzeug voll Salatsauce war.
Der Junge warf den Kopf in den Nacken und lachte.
»Steck’s dir in die Nase, dubidubidu!«
Warum eigentlich nicht?, dachte Tristan. Er war auch mal acht gewesen und erinnerte sich noch gut, wie lustig kleine Jungs Nasen und Popel fanden. Er nahm sich also zwei Shrimpsschwänze und steckte sie in die Nase, ihre rosa Schwanzflossen hingen ihm aus den Nasenlöchern.
Das Kind fiel vor Lachen von seiner Kiste.
»Steck’s dir auf die Zähne, dubidu!«
Zwei schwarze Oliven eigneten sich bestens dafür. Tristan spießte jede auf einen Zahn und hatte zwei schwarze Schneidezähne.
»Steck’s dir -«
Tristan war gerade dabei, den Sellerie und die Shrimpsschwänze zurechtzurücken und hatte nicht bemerkt, dass sich der Türspalt weiter geöffnet hatte. Er sah nicht, wie sich der Gesichtsausdruck des Kindes veränderte. »Steck es wohin, dubidubidu?« Dann sah Tristan auf.
3
Ivy erstarrte. Beim Anblick von Tristan fiel ihr nichts mehr ein: In seinen Ohren steckte Sellerie, auf seinen Haaren lag Salat, auf seinen Zähnen hing etwas Matschiges, Schwarzes und - und es fiel ihr schwer zu glauben, dass jemand, der älter als acht war, so etwas machte - aus seiner Nase
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