Kissed by an Angel
baumelten Shrimpsschwänze.
Tristan war mindestens genauso verdutzt wie sie, als er Ivy sah.
»Krieg ich jetzt Ärger?«, fragte Philip.
»Ich glaube, es erwischt eher mich«, sagte Tristan leise.
»Du solltest im Speisesaal sein und mit uns essen«, sagte Ivy zu Philip.
»Wir essen hier. Das ist unser Festessen.«
Sie betrachtete die Essensauswahl, die sich auf den Tellern zwischen ihnen häufte, und ein Mundwinkel bewegte sich nach oben.
»Bitte, Ivy, Mom hat gesagt, wir könnten Freunde zur Hochzeit mitbringen.«
»Und du hast ihr gesagt, du hast keine, erinnerst du dich? Du hast gesagt, du hättest keinen einzigen Freund in Stonehill.«
»Jetzt hab ich einen.«
Ivy sah zu Tristan. Er hielt den Blick gesenkt und konzentrierte sich auf den Sellerie, die Shrimps und die zermatschten schwarzen Oliven, die er auf dem Karton vor sich in einer Reihe aufstellte. Ekelhaft.
»Mademoiselle!«
»Das ist Dubidu!«, rief Philip. »Mach die Tür zu! Bitte, Ivy!«
Wider besseres Wissen ging Ivy in die Küche und schloss die Tür hinter sich, denn so komisch diese Situation auch war, ihr Bruder wirkte plötzlich seit Wochen endlich einmal glücklich. Mit dem Rücken zum Lagerraum trat Ivy dem Caterer entgegen.
»Stimmt etwas nicht, Mademoiselle?«
»Nein, alles bestens, Sir.«
»Sind Sie très certaine?«
»Très«, erwiderte sie, nahm Monsieur Pompideau am Arm und führte ihn von der Tür weg.
»Sie werden im Speisesaal verlangt«, bemerkte er spitz. »Sie wollen mit der Tischrede anfangen. Alle warten.«
Ivy eilte schnell hinaus. Sie warteten tatsächlich und Ivy musste nun in Kauf nehmen, dass sich alle Blicke auf sie richteten. Errötend durchquerte sie den Raum. Gregory zog sie lachend an sich und reichte ihr ein Champagnerglas.
Ein Freund von Andrew hielt die Rede und fand kein Ende.
»Auf das Brautpaar«, riefen schließlich alle Gäste.
»Auf meine Schwester!«, sagte Gregory und leerte sein Glas. Er hielt es dem Kellner zum Nachfüllen hin.
Ivy nahm einen kleinen Schluck aus ihrem.
»Auf meine Schwester«, wiederholte er, dieses Mal jedoch sanft und leise, seine Augen leuchteten seltsam. Er stieß mit ihr an und wieder stürzte er den Champagner hinunter. Dann zog er Ivy an sich, so eng, dass sie keine Luft mehr bekam, und küsste sie hart auf den Mund.
Ivy saß an ihrem Klavier und starrte auf die Takte, die sie vor fünf Minuten angespielt hatte. Mit der einen Hand berührte sie leicht ihre Lippen. Die andere legte sie auf die gelblich nachgedunkelten Tasten, ließ die Finger darüber gleiten und entlockte ihnen ein paar klimpernde Töne, die ziemlich schräg klangen. Dann fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. Sie waren nicht wirklich wund, das bildete sie sich sicher nur ein.
Trotzdem war sie froh, ihre Mutter überredet zu haben, dass Philip und sie bis nach den Flitterwochen in ihrer alten Wohnung bleiben durften. Sie wollte auf keinen Fall sechs Tage allein mit Gregory in dem riesigen Haus auf dem Berg verbringen, vor allem dann nicht, wenn Philip auch noch Theater machte.
Philip, der in ihrer vollgestopften Wohnung in Norwalk alte Gardinen um sein Bett aufgehängt hatte, um Ruhe vor »den Frauen« zu haben, hatte in den letzten zwei Wochen darum gebettelt, bei ihr schlafen zu dürfen. In der Nacht vor der Hochzeit hatte sie ihm erlaubt, seinen Schlafsack in ihr Zimmer zu bringen, und als sie aufwachte, lagen er und ihre Katze Ella auf ihr. Nach der langen Hochzeit würde sie ihn nachts wahrscheinlich wieder bei sich übernachten lassen.
Philip saß auf dem Boden hinter ihr, spielte mit seinen Baseballkarten und stellte Traummannschaften auf dem Teppich zusammen. Ella wollte sich wie gewöhnlich mitten auf dem Infield ausstrecken. Der Pitcher bewegte sich auf ihrem schwarzen Bauch auf und ab. Von Zeit zu Zeit murmelte Philip etwas vor sich hin. »Fly-Ball tief ins Center-Field«, flüsterte er ganz ins Spiel versunken. Danach würde Don Mattingly seinen Home Run über alle Bases auslaufen.
Ich sollte ihn nicht so lang aufbleiben lassen, dachte Ivy. Aber sie konnte selbst nicht schlafen und war froh über seine Gesellschaft.
Außerdem hatte Philip einen solchen Mischmasch von Partyhäppchen vertilgt und dazu noch - dank Tristan - jede Menge Süßkram, dass er sich wahrscheinlich auf seinen Schlafsack übergeben würde, wenn er jetzt schlafen sollte.
Und saubere Bettlaken waren, wie alles andere in ihrer Wohnung, bereits eingepackt.
»Ivy, ich hab beschlossen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher