Kissed by an Angel
von der Bank. Ella folgte ihnen in Ivys Zimmer.
»Ivy?«
»Hm?«
»Kann ich heute Nacht vielleicht einen von deinen Engeln haben?«
»Klar. Welchen willst du?«
»Tony.«
Tony war der dunkelbraune, aus Holz geschnitzte - er war Ivys Vaterengel. Sie stellte Tony und Don Mattingly neben den Schlafsack. Dann kroch Philip hinein und sie zog den Reißverschluss zu.
»Willst du ein Engelgebet sprechen?«, fragte sie.
Gemeinsam beteten sie: »Engel des Lichts, Engel im Himmel, wach über mich heute Nacht. Wach über alle, die ich lieb habe.«
»Damit bist du gemeint, Ivy«, fügte Philip hinzu und schloss die Augen.
4
Ivy hatte das Gefühl, als liefe der größte Teil der Woche nach der Hochzeit einfach an ihr vorbei. Ein Tag folgte auf den nächsten und wurde nur durch die frustrierenden Diskussionen mit Philip unterbrochen. Suzanne und Beth zogen sie wegen ihrer Geistesabwesenheit auf, allerdings zurückhaltender als sonst. Gregory lief ein- oder zweimal auf dem Gang an ihr vorbei und witzelte, er müsse noch dringend sein Zimmer vor Freitag aufräumen. Tristan begegnete ihr in dieser Woche nicht - zumindest sah sie ihn nicht.
Mittlerweile wussten alle in der Schule über die Hochzeit von ihrer Mutter und Andrew Bescheid. Sämtliche Zeitungen der Umgebung und sogar die New York Times hatten darüber berichtet. Eigentlich nichts Neues für Ivy, denn Andrew war oft in der Zeitung, aber es war komisch, auch Fotos von ihrer Mutter zu sehen.
Dann war es auch schon Freitagmorgen, Ivy fuhr ihren verrosteten kleinen Dodge vorsichtig aus der Einfahrt und hatte plötzlich Heimweh nach all den vollgestopften, lauten, baufälligen Mietwohnungen, in denen sie mit ihrer Familie bisher gewohnt hatte. Wenn sie an diesem Nachmittag aus der Schule kam, würde sie eine andere Auffahrt hochfahren, einen Berg hinauf, hoch über dem Bahnhof und dem Fluss. Die Straße zum Haus verlief zwischen zwei niedrigen Steinmauern und führte durch Waldstücke, Narzissen- und Lorbeerfelder. Andrews Waldstücke, Narzissen und Lorbeer.
An diesem Nachmittag holte Ivy Philip von der Schule ab. Er hatte den Kampf aufgegeben und saß schweigend neben ihr. Auf halber Strecke hörte Ivy in der Kurve über ihnen ein Motorrad talwärts donnern. Plötzlich waren der Motorradfahrer und sie auf gleicher Höhe. Sie fuhr schon so weit rechts, wie sie konnte. Trotzdem hielt er immer noch geradewegs auf sie zu. Ivy trat auf die Bremse. Das Motorrad schwenkte erst in letzter Sekunde auf die andere Fahrbahn, dann raste es an ihnen vorbei.
Philip drehte schnell den Kopf, aber er sagte nichts. Ivy warf einen Blick in den Rückspiegel. Vielleicht war es Eric Ghent. Sie hatte gehofft, Gregory wäre mit ihm unterwegs.
Aber Gregory wartete vor dem Haus auf sie, zusammen mit Andrew und ihrer Mutter, die gerade aus den Flitterwochen zurückgekommen waren. Ihre Mutter begrüßte sie mit innigen Umarmungen und Lippenstiftküssen und in einer Wolke irgendeines neuen Parfüms.
Andrew nahm Ivys Hände in seine. Er war klug genug, Philip nur anzulächeln und nicht anzufassen. Dann wurden Ivy und Philip an Gregory weitergereicht.
»Ich bin euer Reiseleiter«, sagte er. Er beugte sich zu Philip und warnte: »Bleib in meiner Nähe. In manchen Zimmern spukt es.«
Philip schaute sich schnell um, dann sah er zu Ivy.
»Er macht nur Spaß.«
»Mach ich nicht«, sagte Gregory. »Hier haben einige sehr unglückliche Menschen gelebt.«
Philip sah wieder zu Ivy. Sie schüttelte den Kopf.
Von außen war das Haus ein imposantes weißes Gebäude mit schweren schwarzen Fensterläden. An jeder Sei te des Hauptgebäudes war angebaut worden. Ivy wäre gern in einen der kleineren Flügel mit tiefgezogenen Dächern und Mansardenfenstern gezogen.
In Haupthaus erschienen ihr einige der hohen Räume so groß wie manch eine der Wohnungen, in der sie früher gelebt hatten. Die geräumige Eingangshalle und die breite Treppe trennten das Wohnzimmer, die Bibliothek und den Wintergarten vom Speisezimmer, der Küche und dem Fernsehzimmer. Neben dem Fernsehzimmer führte ein Gang in den Westflügel, wo Andrews Arbeitszimmer lag. Da sich ihre Mutter und Andrew im Büro unterhielten, endete die Führung im Gang vor drei Porträts: Adam Baines,der sämtliche Minen gekauft hatte, wirkte streng in seiner Uniform aus dem Ersten Weltkrieg; weiterhin Richter Andy Baines in seiner Richterrobe; und Andrew in seinem farbenprächtigen Talar. Neben Andrew gab es eine leere Stelle an
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