KISSED
bebt.
»Ist es das wert?«, frage ich. »Deine Mutter ist eine Hexe. Sie wird ungestraft davonkommen. Aber du wirst geschnappt. Wird sie es schaffen, dich da rauszuholen?«
Er schüttelt den Kopf. »Das stimmt.«
Ich zeige auf die Prinzessin. »Ist es wirklich das, was du willst? Menschen verletzen? Sie dazu zwingen, Dinge zu tun, die sie nicht tun möchten? Deine Mutter strebt nach Macht. Sie will diejenige sein, die dem König geholfen hat.Aber was springt dabei für dich raus? Möchtest du nicht lieber der gute Held sein?«
Siegfried schaut Victoriana an. Eine leichte Brise weht durch ihr goldenes Haar, und sie nickt.
»Wenn du misch freilässt«, sagt sie mit erstickter Stimme, »werde isch dafür sorgen, dass dir nischts passiert. Isch möchte einfach nur bei meiner Familie sein, so wie du bei deiner sein willst.«
Siegfried schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Tu das, was richtig ist«, sage ich, »das, wovon dir dein Herz sagt, dass es das Richtige ist.«
Siegfried starrt Victoriana lange an. Wir alle starren sie an. Sie ist so schön, so faszinierend wie an dem Tag, an dem ich sie kennengelernt habe, aber jetzt noch mehr, weil ich weiß, dass sie auch lieb und freundlich ist.
Endlich lässt Siegfried sie mit einem Seufzer los.
»Du chast rrecht. Ich kann das nicht tun. Ich kann es einfach nicht.« Er hält mir das Messer hin.
Ich möchte das Messer nicht nehmen, will es nicht berühren. Doch Siegfried hält es in seiner zitternden Hand. Auf der Klinge ist Blut, mein Blut. Ich nehme es vorsichtig zwischen die Finger und wickle es in mein Hemd.
»Geh«, sagt er zu Victoriana. »Ich weiß, dass meine Mutter bald wirrd chier sein und sehen, dass ich wieder verrsagt chabe. Du musst gehen. Soforrt.«
Victoriana nickt. »Du ’ast nischt versagt.«
»Soforrt!«, schreit Siegfried. »Geh jetzt!«
Victoriana nickt wieder. Sie nimmt Philippes Hand und rennt zum Wagen. Sie hält nur an, um die Sandale aufzuheben.
Ryan hat das Cabriodach geschlossen, aber Victoriana lässt das Fenster herunter. Während Ryan ausparkt, ruft sie: »Danke, Johnny! Isch werde disch nie vergessen. Und isch werde die Schuhe tragen!«
Und dann ist sie weg.
Wir bleiben einen langen Moment stehen, ich und der Furcht einflößende Motorrad-Typ. Zwei Muttersöhnchen.
Schließlich sagt er: »Ich wusste auch, dass du das eine Mal unterr der Bar warrst.« Er seufzt, und ich merke, dass er verzweifelt versucht, nicht loszuheulen. »Ich bin ein Waschlappen. Sie wirrd mich umbrringen. Es ist egal, ob ich ins Gefängnis komme oder nicht, weil sie mich ohnehin umbrringen wirrd.«
Eigentlich tut mir der Kerl leid. Er kann nichts dafür, dass seine Mutter eine böse Hexe ist, die darauf erpicht ist, über Zalkenbourg zu herrschen.
»Du hast das Richtige getan«, sage ich, auch wenn das ein wenig lahm klingt.
Und genau da taucht Sieglinde auf, gefolgt von Meg. Sie brechen durch die Hintertür. Meg kommt zu mir gerannt und umarmt mich. »Es geht dir gut!«
Sieglinde breitet die Arme aus. »Eurre Polizei ist da, aber sie kommen zu spät. Mein Sohn chat sie sich geschnappt! Mein Sohn …« Sie entdeckt Siegfried und sagt: »Du bist chier. Wo sind sie?«
Ich schaue Siegfried an. Einen langen Augenblick sagt er nichts, aber schließlich zeigt er auf mich und das Messer. »Ich chabe sie gehen lassen, Mutter .«
»Du chast was? Wie konntest du!«
Er schüttelt den Kopf.
Und da holen die Cops Sieglinde ein. Einer ergreift sie, während der andere Handschellen herausholt. Der dritte liest Sieglinde ihre Rechte vor.
»Wie konntest du nur!«, kreischt sie. »Du Narr!«
»Tut mir leid, Mama.« Siegfried heult jetzt. »Ich konnte es einfach nicht tun.«
»Ich kann das nicht glauben! Ich enterrbe dich!«
Und dann, gerade als die Handschellen über ihre Handgelenke gleiten, verschwindet Sieglinde.
47
»Ich habe sie aufgehalten, so lange ich konnte«, erklärt Meg eine Stunde später in ihrem Café. Als wir wieder in die Hotellobby zurückkamen, riefen wir am Flughafen an, und vor ein paar Minuten erhielten wir die Nachricht, dass Victorianas Flugzeug gestartet ist. »Ich wollte dir zu Hilfe kommen.«
»So wie du mir auf dem Friedhof geholfen hast?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, das warst du ganz allein.«
Ich bin nicht sicher, ob ich ihr das glauben soll, deshalbsage ich: »Aber du hast mich von dem Skorpionbiss geheilt? Er war wirklich giftig.« Sie nickt, deshalb füge ich hinzu: »Und der Schwan. Den hast
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