KISSED
stimmt.
»Was macht er da?« Eine Frau zeigt auf sie.
»Er versucht, die Prinzessin zu entführen!«
Ein Raunen geht durch die Menge. Die Information wird in verschiedene Sprachen übersetzt. Jemand ruft nach den Sicherheitsleuten des Hotels. Weitere Handys werden herausgezogen. Menschen rennen auf Victoriana zu. In dem Handgemenge befreit sie sich wieder aus Brunos Griff. Plötzlich bin ich zwischen ihnen, mitten im Gedränge. Es ist eine Masse aus Körpern, und Victoriana versucht, sich mit Ryan, der sich wieder aufgerappelt hat, zum Parkplatz durchzuschlagen. »Bitte! Lassen Sie mich durch!«
Plötzlich erstarrt alles – alles und alle. Im Raum wird es still. Und dann beginnen sich die Leute im Gleichschritt zu bewegen, sie machen den Weg frei, um Victoriana, Philippe und Ryan durchzulassen.
Was passiert da gerade? Ich versuche, diese Frage auszusprechen, aber ich bin auch erstarrt. Meine Zunge will sich nicht bewegen. In der Stille kann ich mein Herz schlagen hören, deshalb weiß ich, dass ich noch am Leben bin. Das Einzige, was ich sonst noch bewegen kann, sind meine Augen; mit ihnen sehe ich, wie Victoriana, Philippe und Ryan durch die geteilte Menschenmenge gehen. Ich lassemeinen Blick nach links schweifen, zu Meg. Ich versuche, Kontakt herzustellen. Sieht sie auch, was ich sehe?
Doch Megs Augen bewegen sich rasch hin und her, hin und zurück, zu Bruno, zur Menge, zu Victoriana, Philippe und zu den erstarrten Menschen.
Meg macht das. Sie ist diejenige, die die Menge zum Erstarren gebracht hat. Irgendwie hat sie auch Bruno dazu gebracht, Victoriana loszulassen. Sie hat alle dazu bewegt, Platz zu machen.
Ich war noch nie der Beste in Mathe, aber irgendwann kann selbst ein Typ, der eine Drei in Trigonometrie hat, eins und eins zusammenzählen. Und eins. Und eins.
Die Brownies. Der magische Ring. Die Art, wie der Schwan geheilt wurde, als Meg Hand an ihn legte, und wie schnell ich mich nach dem Skorpionbiss besser fühlte. Der Friedhof. Und jetzt das.
Meg ist eine Hexe.
Aber was bedeutet das? Was bedeutet das für mich? Für uns? Hat sie mich mit einem Zauber belegt? Stehe ich deshalb auf sie und nicht auf Victoriana?
Und was hat sie sonst noch mit mir gemacht? Mit allen anderen?
Im Moment rettet sie jedenfalls die Prinzessin. Victoriana ist weg. Sie wird nach Hause zurückkehren, zu ihren Freunden, zu ihrer Familie.
Zu ihren Schuhen!
Doch plötzlich – ein Windstoß. Er wirft die Leute um, und ihre Erstarrung löst sich.
In der Mitte des Raumes erscheint Sieglinde. Dann Siegfried.
»Channst du es denn nie rrichtig machen?«, fragt sie Bruno.
Bruno kauert vor ihr. »Bitte. Isch konnte nischt zu ihr gelangen. Da war eine andere ’exe. Sie ’at misch aufge’alten. Sie ’at sie gehen lassen.«
»Gehen? Wochin?«, kreischt Sieglinde.
Bruno deutet stumm auf die Tür zum Bedienstetenparkplatz.
»Du Narrrr!« Sieglinde stampft mit dem Fuß auf. »Wie konntest du sie nurr gehen lassen?«
»Das ’abe isch nischt … isch konnte doch nischt … Da war …« Er schaut Meg an, die auf ihre Füße starrt. »Eine ’exe.«
Sieglinde wendet sich Meg zu. »Du? Hierr?«
Meg schaut sie an. »Was dachtest du denn, wo ich wäre? Gefangen im Leuchtturm? Das war nur die Lüge, die du Johnny erzählt hast.«
»Dorrthin ich werrde dich brringen jetzt!« Sie schaut ihren Sohn an. »Siegfried! Ihnen nach! Soforrt! Und dieses Mal du lässt sie nicht entkommen!«
»Ja, Mama.« Siegfried schluckt, doch er läuft zur Tür. Aber sie ist abgeschlossen. Er zieht daran, rüttelt daran. Sie lässt sich nicht öffnen. Sieglinde hebt die Hand, als wolle sie einen Blitz oder so etwas aussenden, um sie aufzusprengen. Plötzlich wird sie jedoch von den Füßen gerissen und liegt auf dem Boden.
»Nimm die anderre Türr!«, schreit sie Siegfried zu.
Er rennt zum Haupteingang, bricht durch die Menschenmassen und die Türsteher. Sieglinde versucht, wieder auf die Beine zu kommen, aber es ist, als würde sie an etwas festkleben, Kaugummi oder so, das sie am Boden hält; und während ich sie beobachte, wird mir klar, dass ich ihnen auch folgen sollte. Ich habe den Auftrag, der Prinzessin zu helfen, angenommen. Dann muss ich ihn auch bis zum Schluss durchziehen.
Ich laufe Siegfried hinterher.
»Nein, Johnny!« Megs Blick zwingt noch immer Sieglinde zu Boden. »Versuch es noch mal an der anderen Tür!«
Schlitternd komme ich zum Stehen und gehe auf die Tür zu, von der ich weiß, dass sie abgeschlossen ist. Sie lässt sich
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