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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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einladen mitzukommen«, sagte Harry, »aber es ist ein reiner Herrenabend. Baseball glotzen ohne Fotzen. Stimmt’s, Meister?«
    »Du sagst es.«
    Ich sah erstaunt zu, wie sie ihre Fäuste aneinander stießen.
    »Lass es krachen!«, sagte Harry.
    Sie stießen wieder ihre Fäuste aneinander und mimten dabei eine Explosion, indem sie »Bumm!« riefen und blitzschnell die Finger spreizten.
    Am liebsten hätte ich dabei die Augen verdreht, aber ich wollte ihnen ihren Spaß lassen. »Wo ist Phin?«
    »Auf der Intensivstation«, sagte Herb. »Seine Operation hat länger gedauert als unsere.«
    »Ich hab fünfzehn Nähte«, sagte McGlade und grinste stolz. »Herb hat dreißig. Darauf müssen wir anstoßen.«
    Sie stießen wieder die Fäuste aneinander.
    »Lass es krachen!«, sagte Harry.
    Wieder machten sie »Bumm!«
    Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die beiden mir besser gefallen hatten, als sie sich noch hassten.
    Nein, das stimmte nicht. Ich hatte nicht nur das Gefühl, ich war mir sogar ganz sicher.
    »Alles okay bei Phin?«, fragte ich.
    Herb nickte. »Sie konnten seine Niere retten. Er war sechs Stunden unter dem Messer, aber jetzt geht’s ihm wieder gut.«
    »Ist alles nur halb so schlimm«, sagte Harry. »Er hat ja noch ’ne zweite. Muss wohl ’n genetisches Wunder sein, dass er mit zwei Nieren auf die Welt gekommen ist. Phin ist unser Mann, darauf stoßen wir an!«
    Sie stießen wieder die Fäuste aneinander.
    »Lass es krachen!«
    Bumm!
    Am liebsten hätte ich ihnen gesagt, sie sollten sich zusammen ein Zimmer nehmen, aber sie hatten ja schon eins.
    »Ich seh mal nach, wie’s ihm geht«, sagte ich und ließ die beiden allein, damit sie ihre neu entdeckte Männerfreundschaft pflegen konnten.
    Der Polizist, der vor meinem Zimmer Wache hielt, fuhr mit mir zusammen im Fahrstuhl zur Intensivstation im sechsten Stock. Vor Phins Tür stand ebenfalls ein Wachposten, der mich nicht hineinlassen wollte, bis ich schließlich log und behauptete, ich wäre Phins Ehefrau.
    Phin schlief. Er hatte einen Schlauch in der Nase und war bleich im Gesicht.
    Als ich ihn auf die Stirn küsste, schlug er die Augen auf.
    »Hey du«, flüsterte er.
    »Hey. Wie fühlst du dich?«
    »Noch ganz benommen, aber sonst ist alles okay. Hat man sie gefunden?«
    Ich schüttelte den Kopf. Eine Träne lief mir die Wange hinunter. »Weder Luther noch unsere Tochter.«
    Ich nahm seine Hand und drückte sie. Er erwiderte die Geste.
    »Wie geht’s Harry und Herb?«, fragte er.
    »Ich glaube, die werden ein Paar.«
    »Und wie geht’s dir, Jack?«
    Ich presste die Lippen zusammen, aus Angst, ich müsste heulen, wenn ich etwas sagte.
    »Dieser Mann«, sagte Phin. »Der, den Luther in Ketten gelegt hat. Vielleicht weiß der was.«
    Ich nickte und wischte mit dem Handrücken die Träne weg. »Soll ich versuchen, ob ich was aus ihm herausbekomme?«
    »Keiner kann das besser als du, Baby.«
    Ich gab Phin noch einen Kuss, diesmal auf die Wange.
    Dann machte ich mich auf den Weg zu Andrew Z. Thomas.

Lucy
Davor
    Sie betrat den Warteraum der Notaufnahme.
    Alle glotzten sie an, was nicht verwunderlich war.
    Ihr Kleid hing praktisch in Fetzen an ihrem Körper und stank nach getrockneter Kloake von ihrem Streifzug durch Luthers Spielplatz. Und sie sah aus wie …
    Na ja, sie sah eben aus, wie sie aussah.
    Sie schleppte sich zum Empfangsschalter und wartete darauf, dass die Krankenschwester von ihr Notiz nahm.
    Die ältere Frau hinter der Glasscheibe blickte nicht einmal zu ihr auf, sondern sagte nur: »Füllen Sie das Anmeldeformular aus und bringen Sie es mir, wenn Sie fertig sind.«
    Lucy beugte sich nahe an das Fenster und starrte die Frau mit ihrem verbliebenen Auge an. »Hey, das hier ist ein Notfall.«
    Endlich kümmerte sich die Alte um sie. Als sie Lucys hässliche Fratze sah, blickte sie schockiert und erschrocken drein.
    An Lucys spindeldürren Beinen lief bereits Blut herunter und bildete eine Lache um ihre Füße.
    Lucy zog sich mit ihrer künstlichen Hand das Kleid über den Kopf und zeigte der Krankenschwester die Nähte der Hauttransplantate, die sie auf dem Parkplatz aufgerissen hatte. Sie hatte sich gedacht, dass man sie auf jeden Fall im Krankenhaus aufnehmen würde, wenn sie stark blutete.
    Einer der Patienten im Warteraum stieß ein »Oh Gott« aus.
    Die Schwester griff zum Telefonhörer und gab durch, dass sofort eine Tragebahre benötigt wurde.
    Lucy hatte schon gedacht, sie müsste einen Ohnmachtsanfall vortäuschen, aber anscheinend
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